Fundstücke 2016 – 2021

2021

Januar 2021: Haberfeld Nr. 7 – Zeitschrift nicht nur für bayerische Gefangene
Februar 2021: Buttontuch aus dem BBU-Bestand
März 2021: Roy Bricks Zeichnung „Auf der Archivleiter“
April 2021: Wohnraum für alle!
Mai 2021: Vom Handels-, Wandels- und Wandersblatt
Juni/Juli 2021: Guten Morgen. 50 Jahre Ton Steine Scherben
August 2021: Plakat zur Hausbesetzung in Münster
September 2021: Manuskripte einer sozialistischen Schülergruppe aus Wattenscheid
Oktober 2021: COMIX – feministische comix & cartoons
November 2021: Aktionsmaterial der Projektgruppe Rheinland: Frauen gegen Apartheid Mülheim/Ruhr
Dezember 2021: 50 Jahre Georg von Rauch-Haus

2020

Januar 2020: Klaus der Geiger wird 80
Februar 2020: Ratschläge für Anfänger in der vegetarischen Lebensweise
März 2020: Das afas wird 35!! Dokumente aus der Gründungszeit
April 2020: PIPS
Mai 2020: Transparent zur Mai-Demo 1976
Juni 2020: Plakat und Aufkleber von aktion ./. arbeitsunrecht: Tönnies stoppen!
Juli 2020: Straßenzeitungen in Köln
August 2020: Transparente und T-Shirt aus der Anti-Apartheid-Bewegung und Umweltbewegung
September 2020: Gorleben-Protest: massives, emailliertes Schild „Urgeschichtliche Grabhügel“
Oktober 2020: Punktekatalog der Wohnungsgenossenschaft Rheinpreußensiedlung e. G.
November 2020: Gefälschte Bekanntmachungen
Dezember 2020: Durchsuchungs-/Sicherstellungs-Protokoll vom 7.1.1992

2019

Januar 2019: Original-Briefe von Willy Brandt, Franz Josef Strauß und Winnie Mandela an Karl Schmidt / Aktionsgruppe Freiheit für Nelson Mandela
März 2019: Wertgutschein für Flüchtlinge
April 2019: Wahlzettel und Wahlinformation zur ersten Freien Wahl in Südafrika im April 1994
Mai 2019: Fotos in memoriam Peter Dohms (10. Mai 1941 – 6. Mai 2019)
September 2019: Ausstellungsvitrine zur „Literarischen Subkultur“

2018

Januar 2018: Originalgrafik in der Fabrik-Zeitung
Februar 2018: Foto Hungerstreik Rheinpreußensiedlung
März 2018: Broschüre „Projekt: linke Tageszeitung“
April 2018: Dokumente zum Attentat auf Rudi Dutschke am 11. April 1968
Mai 2018: SchülerInnenzeitung „Cecinius“ aus Düsseldorf
Juni 2018: Flugblätter über die Türkei und Kurdistan
Juli 2018: 100. Geburtstag von Nelson Mandela
August 2018: Plakat zum Einmarsch der Warschauer Paktstaaten in die Tschechoslowakei am 21. August 1968
Oktober 2018: Die erste Ausgabe der Musikzeitung SPEX, erschienen im September 1980
November 2018: Aufkleber von 1967 und 1968

2017

Januar 2017: „Holy Flip“ – Zeitschrift aus Herten 
Februar 2017: Brief vom 13.5.1983 an die Selbstorganisation der Zivildienstleistenden
März 2017: Transparent „Frauen sind die halbe Welt … und wollen Frieden für die ganze Welt“  
April 2017: Vorschlag zur Gründung eines „Friedensforum Duisburg“ 
Mai 2017: Feministisches Zine „Die Krake“
Juni 2017: Dokumente zum 2. Juni 1967
Juli 2017: Wir ziehen um!  
August  2017: Wir ziehen um!
September 2017: Wir sind eingezogen!
Oktober 2017: Buch mit Tarnumschlag
November 2017: Holzanhänger politische Gefangene Chile 
Dezember 2017: Plakat: Fällt Weihnachten aus?

2016

März 2016 zum Internationalen Frauentag: Frauenarbeits-Lose der Bonner „Frauenintiative 6. Oktober“ aus Mitte der 1980er Jahre  
April 2016: Graue Literatur zur Nuklearkatastrophe in Tschernobyl am 26. April 1986 
Mai 2016: Bluse zum Protest gegen die Rüstungsproduktion von Daimler-Benz 
Juni 2016: Airmail aus Vietnam mit Karl-Marx-Briefmarken 
Juli 2016: Brettspiel Klassenkampf 
August 2016: Das Plakat „Sex Police Academy“
September 2016: Telegramm von Bertha von Suttner an Magnus Schwantje vom 11. Dezember 1911 
Oktober 2016: Die erste Ausgabe der „AktionWohnungsNot“ im Jahr 1975  
November 2016, anlässlich der Ausbürgerung von Wolf Biermann aus der DDR vor 40 Jahren: Plakat zu einem Konzert in der Kölner Sporthalle am 13. November 1976  
Dezember 2016: Notizbuch von Karl Rössel aus den Philippinen



2021

Dezember 2021: 50 Jahre Georg von Rauch-Haus

Am 8. Dezember 1971 fand im Audimax der TU Berlin ein Teach-in statt, bei dem es um die bis heute nicht aufgeklärten Umstände des Todes von Georg von Rauch ging. Zum Abschluss dieser Veranstaltung spielte die Band Ton Steine Scherben. Nach ein paar Liedern brachen die Scherben ihren Auftritt ab und Rio Reiser, der seinerzeit noch Ralph Möbius hieß, rief die Anwesenden auf, zum Mariannenplatz nach Kreuzberg zu fahren. Dort sollte das ehemalige Schwesternwohnheim des leerstehenden Bethanien-Krankenhauses besetzt werden.

Gesagt – getan. Ein paar Hundert Leute machten sich auf den Weg nach Kreuzberg und besetzten das besagte Gebäude. Nach langwierigen Verhandlungen wurde das Haus, in dem fast ausschließlich JungarbeiterInnen und Treber wohnten, legalisiert. Es besteht bis heute als selbstbestimmtes Wohnprojekt.

Zum 50. Jahrestag der Besetzung war ein großes Fest im Rauch-Haus und auf dem Mariannenplatz geplant. Vielleicht hätten sogar die Rest-Scherben gespielt, doch leider fielen alle Pläne der Pandemie zum Opfer bzw. wurden in den Sommer 2022 verschoben.

Um einen authentischen Einblick in das Selbstverständnis des selbstorganisierten Kollektivs, aber auch in die Kämpfe zur Legalisierung des Hauses zu bekommen, hat das afas drei im Selbstverlag erschienene Rauch-Haus-Dokumentationen gescannt und stellt sie hiermit als Fundstücke des Monats Dezember 2021 auf seiner Webseite frei zur Verfügung.

Manfred Liebel, der seinerzeit ein wichtiger Unterstützer des Rauch-Haus-Kollektivs war, hat uns freundlicherweise die drei Dokumentationen zum Scannen zur Verfügung gestellt.

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November 2021: Aktionsmaterial der Projektgruppe Rheinland: Frauen gegen Apartheid Mülheim/Ruhr

1977 rief die Evangelische Frauenarbeit in Deutschland als Reaktion auf die Bannung der Black Women’s Federation in Südafrika ihre wohl bekannteste Aktion im Kampf gegen die Apartheid in Südafrika ins Leben: den Früchteboykott. Unter dem Slogan „Kauft keine Früchte aus Südafrika – baut nicht mit an der Mauer der Apartheid“, wurden u.a. Informationsveranstaltungen durchgeführt und Kontakt mit GeschäftsführerInnen und LadenbesitzerInnen aufgenommen. Insbesondere wurden mit Ständen vor Supermärkten und in Innenstädten Einkaufende auf die Unterdrückung der schwarzen Bevölkerung in Südafrika aufmerksam gemacht und zum Boykott von Obst aus Südafrika aufgefordert.

Unsere Fundstücke des Monats stammen aus dem Bestand der Gruppe Frauen gegen Apartheid Mülheim/Ruhr. Es sind künstlerisch gestaltete Obsttüten. Auf ihnen wird über die Apartheid in Südafrika informiert: Eine der Tüten beschreibt den Unterschied zwischen dem Leben einer weißen und dem Leben einer schwarzen Frau in Südafrika. Auf der anderen Tüte werden die Firmen aufgezählt, die von der Apartheid profitieren.
Die Gruppe Frauen gegen Apartheid arbeitete auch nach dem Ende der Apartheid weiter, um südafrikanische Frauenorganisationen zu unterstützen und die Rechte der schwarzen Frauen zu stärken. Sie gründete 1993 den Verein „Frauen für Gerechtigkeit im Südlichen Afrika und hier“, der erst 2010 aufgelöst wurde.

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Oktober 2021: COMIX – feministische comix & cartoons

Unser Fundstück des Monats ist ein Sammelband mit feministischen Comics und Cartoons aus dem autonomen und anarchistischen Umfeld in Hannover. Entstanden im Jahr 1993, als die Comic-Szene überwiegend von männlichen Zeichnern geprägt war, versuchten Zeichnerinnen insbesondere feministische Inhalte und einen ‚female gaze‘ einzubringen.

Für den Sammelband baten die Herausgeber*innen in einer Ausschreibung, die sie an etwa 500 antirassistische und feministische Projekte schickten, um zeichnerische Beiträge. Ausgewählt wurden mehr als 50 Comics und Karikaturen unterschiedlicher unbekannter Zeichnerinnen. Thematisch sind diese an Alltagserfahrungen angelehnt, die nicht nur erwachsenen weiblich gelesenen Personen widerfahren, sondern auch die Sozialisation von Kindern maßgeblich prägen. Der von Kareen Armbruster gestaltete Comic macht dies deutlich: schon junge Mädchen werden dazu erzogen, dass ihr Dasein in der Gesellschaft nur einem dient – nämlich einen Mann zu finden und ihm Freude zu bereiten. Die Comics und Zeichnungen benennen in subtiler Art und Weise Unterdrückungsmechanismen, mit denen Frauen in unserer patriarchalen Gesellschaft konfrontiert sind. Mit Humor schaffen es die Zeichnerinnen dieses Sammelbandes Unausgesprochenes auszusprechen und ihren Teil zur Patriarchatskritik beizutragen.

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September 2021: Manuskripte einer sozialistischen Schülergruppe aus Wattenscheid

Arbeitsplan der USSB-MSA-Wattenscheid 1971 und Beitrittsformulare,                   Signatur: NLP.18:3

Nach einer Demonstration gegen die neofaschistische Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD) gründete sich 1969 der Republikanische Club Wattenscheid. Als dieser wenig später aufgrund von Grabenkämpfen zwischen Maoisten und Marxisten-Leninisten zerfiel, überlebte der Unabhängige Sozialistische Schülerbund Wattenscheid, der aus ihm hervorgegangen war. Der Unabhängige Sozialistische Schülerbund Wattenscheid (USSB) betrachtete sich als Basisgruppe der überregional organisierten und 1970 gegründeten Marxistischen Schüler-Assoziation. Beide bekannten sich zu Marx, Engels und Lenin und kritisierten Schule als Teil der kapitalistischen Leistungsgesellschaft. Die Schüler*innen führten lokal Aktionen durch, solidarisierten sich mit der in den USA kriminalisierten afro-amerikanischen Feministin Angela Davis. Sie demonstrierten gegen den Vietnamkrieg, organisierten einen Schulstreik und kämpften für eine Rauch-Erlaubnis am Wattenscheider Jungen-Gymnasium.

Unser Fundstück des Monats zeigt den „Arbeitsplan der USSB/MSA-Wattenscheid für 1971“ und handgefertigte Beitrittsformulare. Sie stammen aus der Sammlung eines ehemaligen Wattenscheider Schülers, die wir im Rahmen unseres derzeitigen Projekts erschlossen haben.

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August 2021: Plakat zur Hausbesetzung in Münster

afas-Signatur: P3.658

Unser Fundstück des Monats August ist ein Plakat aus dem Bestand des Münsteraner Umweltzentrum-Archivs, mit dem unter dem Motto „für ein selbstverwaltetes Zentrum in MünstA + anderswo“ zu einer Demo am 5. Februar 2000 aufgerufen wurde.

Zu sehen ist eine detailreiche Zeichnung von Demonstrant*innen mit Transparenten vor der Skyline einer Stadt und neben einem besetzten Haus. Bei der Erstellung des Plakates wurden neben den von den Besetzer*innen selbst gemachten auch Grafiken des Comiczeichners Gerhard Seyfried verwendet.

Links im Bild zu erkennen ist der mit Transparenten geschmückte Eingang der besetzten ehemaligen Uppenbergschule. Das Plakat entstand in dem von den Besetzer*innen „Uppe“ getauften Gebäude. Die Geschichte der Uppe begann in der Silvesternacht 1999/2000, als Menschen aus der anarchistischen Szene Münsters in das Uppenbergschulgebäude in der Schulstraße gelangten und ein Transparent mit der Aufschrift „Besetzt!“ am Gebäude platzierten.

Anderthalb Tage später wurde die Besetzung von der Polizei bemerkt. Nach einer Woche teilte die Stadtverwaltung den Instandbesetzer*innen mit, dass sie bis zur nächsten Ratssitzung geduldet seien und garantierte ihnen Straffreiheit. Am 9. Februar 2000 beschloss der Rat der Stadt Münster einen „zügigen Rückbau“ des Gebäudes. Wenige Stunden später, am 10. Februar, wurden die Besetzer*innen von ca. 200 Polizist*innen geräumt. Etwa 100 Aktivist*innen legten nach der Räumung den Berufsverkehr lahm und demonstrierten gegen den Abriss.

Eine Besetzerin: „Auch wenn das Gebäude zerstört werden konnte, so werden doch die Utopien, die darin verwirklicht wurden, weiter leben. Weiter leben werden viele Kontakte und Freundschaften, die in der Uppenbergschule aufgebaut wurden. Weiter leben wird die Erinnerung an ein Zentrum, in dem sechs Wochen lang ein kulturelles und politisches Programm auf die Beine gestellt wurde. Es wurde zusammen diskutiert, gelacht, geweint, gefeiert, getanzt und erfahren, wie wichtig selbstbestimmte Räume sind.“

Das künstlerisch gestaltete Plakat ist eine Rarität. Es wurde Anfang Januar 2000 in einer zweistelligen Kleinstauflage am Farbkopierer ausgedruckt, so dass jedes Plakat ein Unikat ist. Im afas liegen drei Plakate in verschiedenen Farbvarianten vor. Das Plakat ist unseres Wissens in keiner anderen öffentlichen Einrichtung archiviert. Im Rahmen des diesjährigen Projektes konnte es dank Fördermitteln der Allgemeinen Kulturförderung des Landschaftsverbandes Westfalen Lippe, des Landes Nordrhein-Westfalen und der Hamburger Stiftung zur Förderung von Wissenschaft und Kultur im afas erschlossen werden.

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Juni/Juli 2021: Guten Morgen. 50 Jahre Ton Steine Scherben

Auch Jubiläen finden zur Zeit pandemiebedingt verspätet statt. So hat erst im Juni 2021 die Polit-Rockband Ton Steine Scherben, erweitert durch einige jüngere GastmusikerInnen, anlässlich ihres 50-jährigen Bestehens in Berlin zwei Konzerte gegeben. Am Kreuzberger Mariannenplatz gab es eine Ausstellung zur Bandgeschichte. Zum weiteren Programm gehören Diskussionen, Stadtrundgänge und Filmvorführungen. Für den August sind Dampferfahrten auf Spree und Landwehrkanal unter dem Motto „Scherben bringen Glück“ geplant.

1971 und 1972 sind zwei bis heute legendäre LPs der Band erschienen: „Warum geht es mir so dreckig?“ und „Keine Macht für niemand“. Ton Steine Scherben waren Teil der linksalternativen Szene, nicht selten riefen sie am Ende ihrer Konzerte zu politischen Aktionen auf. Im Dezember 1971 zum Beispiel beendeten sie ein Konzert im Audimax der TU Berlin mit der Aufforderung, zum Kreuzberger Mariannenplatz zu fahren und das ehemalige Schwesternwohnheim des leerstehenden Bethanien-Krankenhauses zu besetzen. So entstand das bis heute existierende Georg von Rauch-Haus. Über etliche Jahre waren „die Scherben“ so etwas wie die Hausband des Georg von Rauch-Hauses, nahmen regelmäßig an den wöchentlichen Plenumssitzungen teil und spielten bei den 1. Mai-Festen auf dem Mariannenplatz. Bis heute sind viele ihrer Lieder im kollektiven Gedächtnis sozialer Bewegungen präsent.

Weniger bekannt ist, dass die Scherben 1973 in ihrer Wohngemeinschaft am Tempelhofer Ufer 32 eine selbstverlegte Broschüre mit dem Titel „Guten Morgen“ herausgebracht haben. Darin finden sich neben ihren eigenen Songtexten viele Informationen zu seinerzeit aktuellen Auseinandersetzungen und Konflikten wie Hausbesetzungen, politischer Justiz, RAF und Vietnamkrieg. Von Eldridge Cleaver, einem Mitbegründer der Black Panther-Bewegung, wurde der Text „An alle schwarzen Frauen, von allen schwarzen Männern“ abgedruckt, und unter dem Titel „IndianerMacht“ ging es um die Rechte der indigenen Ureinwohner Amerikas.

Interessant sind auch die Hinweise auf ihre musikalischen Vorbilder, zu denen zum Beispiel Bob Dylan und Eric Burdon and War gehörten. Und natürlich standen die Scherben der kapitalistischen Verwertungsmaschine kritisch gegenüber und erläuterten, warum sie ihre Platten selber machen. Anderen, die ihrem Beispiel folgen wollen, boten sie Hilfe an: „Wer seine Platten auch lieber selber produzieren will, soll sich an uns wenden, wir können heisse tips geben“. Im Text „Wie wir leben“ schildern sie kurz und knackig ihr eigenes Selbstverständnis bezüglich Lohnarbeit und alternativer Lebensformen: „Von uns sechs Scherben arbeitet niemand mehr unter einem Chef. Und wenn wir das jemals wieder tun sollten, dann nur, um im Betrieb Putz zu machen. Wir leben zusammen, kochen zusammen, machen zusammen Musik, heften die Platteneinbände zusammen, machen zusammen den Vertrieb. Es gibt keinen Monatslohn. Wer Geld braucht, nimmt es sich und sagt es den anderen“.

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Mai 2021: Vom Handels-, Wandels- und Wandersblatt

afas-Signatur: 90.III.30,2°

Bei unserem Fundstück des Monats handelt es sich nicht um eine Ausgabe des „Handelsblatts“, auch wenn das „Wandelsblatt“ auf den ersten Blick der bekannten Wirtschafts- und Finanztageszeitung zum Verwechseln ähnlich sieht. Die Redaktion des „Wandelsblatts“ bildete sich als Arbeitsgruppe während der bundesweiten Projektemesse „Ökologisch leben, friedlich arbeiten in einer selbstbestimmten Gesellschaft“ im Juli 1984 in Oberursel.
Im Oktober 1984 erschien die erste Ausgabe mit dem programmatischen Untertitel „Zeitung für Selbstverwaltung“. Das „Wandelsblatt“ sollte dem Informationsaustausch, dem Zusammenhalt und der Kommunikation zwischen den selbstverwalteten Betrieben und den Initiativen aus dem Selbstverwaltungsbereich dienen. Die Nummer 4 wurde im Januar 1985 als „Wandersblatt – Zeitung für den längeren Atem“ publiziert. Im Vorwort heißt es: „Da stutzt der Laie, und der Fachmann wundert sich. Wenn aber Goliath dem David auf den Kopf hauen will, muß dieser sich etwas einfallen lassen. Allen einstweiligen Verfügungen zum Trotz wird das WANDEL§BLATT [sic!] weiterhin zuverlässig erscheinen, möglicherweise erstmal weiterhin in Titelvariationen. Wo plumpe (Wirtschafts-) macht uns plattzumachen droht, halten wir unsere Traditionen entgegen: ‚Legal, illegal,……..egal!‘ aber vor allem auch: ‚Phantasie an die M8!’“
Das „Handelsblatt“ hatte gegen das „Wandelsblatt“ eine einstweilige Verfügung erwirkt, „wegen Benutzens eines verwechslungsfähigen Titels einer Druckschrift, unlauteren Wettbewerbs und Namensverletzung (§ 16,1,3 UWG, § 12 GBGB), Streitwert: 150.000,-DM (geschätzt)“.
Durch die Verordnung erreichte das „Wandelsblatt“ einen Popularitätsschub und neue Abonnent*innen. Das von der Handelsblatt GmbH angedrohte gerichtliche Hauptverfahren war aber „wegen der immensen Kosten“ für die Redaktion nicht durchführbar gewesen und die „Wandelsblatt“-Herausgeber*innen mussten klein beigeben. 18.000 DM Gerichts- und Anwaltskosten waren auch ohne Hauptverfahren aufgelaufen. Die Nr. 5 der Alternativzeitschrift erschien dann im Februar 1985 unter dem bis heute beibehaltenen Titel „Contraste“.

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April 2021: Wohnraum für alle!

afas-Signatur: OBJ.7.99

Diese Pappe mit herausnehmbarer Demo-Hand ist ein bislang unverzeichnetes Objekt. Sie wurde am Housing Action Day am 27. März 2021 bei der Kundgebung auf dem Heumarkt in Köln verwendet und gelangte über Kalle Gerigk, einen Aktivisten von Recht auf Stadt Köln, ins afas.

Mieten und Verdrängung sind seit Jahren im Zentrum der politischen Auseinandersetzung. Und das nicht nur in den so genannten Schwarmstädten, in Nordrhein-Westfalen sind dies Bonn, Düsseldorf, Köln oder Münster. Alljährlich findet der europaweite Aktionstag Housing Action Day statt. Dabei wird an zahlreichen Orten mit kreativen Demonstrationen, Kundgebungen und Aktionen auf die prekäre Situation vieler Menschen mit und ohne Wohnung hingewiesen. Unser Fundstück des Monats, die Demo-Hand, war eines der Aktionsmaterialien der Kampagne Mietenstopp zum diesjährigen Housing Action Day, die sich für einen bundesweiten Mietenstopp nach Vorbild des zwischenzeitlich durch das Bundesverfassungsgericht für nichtig erklärten Berliner Mietendeckels einsetzt. Doch auch wenn sich die Gerichtsentscheidung als Rückschlag lesen lässt, so gab sie dem Anliegen auch mehr öffentliche Aufmerksamkeit und wirkte als Ansporn insbesondere für die Initiative Deutsche Wohnen und Co. enteignen. Tausende Unterschriften wurden in den Tagen nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts für das Volksbegehren gesammelt. Durch einen Volksentscheid sollen in Berlin etwa 240.000 Wohnungen von Immobilienkonzernen auf Grundlage von Artikel 15 des Grundgesetzes vergesellschaftet und damit Gemeineigentum werden. Für bezahlbaren Wohnraum setzen sich unzählige Initiativen in ganz Deutschland ein.

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März 2021: Roy Bricks Zeichnung „Auf der Archivleiter“

Allmählich wird sich der afas-Mitgründer und langjährige Archivleiter Jürgen Bacia aus dem Alltagsgeschäft des Archivs herauslösen. Künftig übernimmt er Netzwerkarbeiten und geht papiernen Spuren nach, um unsere Sammlung weiter zu bereichern. In den letzten Jahren hatten wir das Glück, den Generationenwechsel schleichend einleiten zu können. Es gab ausreichend Raum für Gespräche, Fragen und die Übergabe der Stafette. Ein Idealzustand, der dazu geführt hat, dass uns der Generationenwechsel nicht kalt erwischt, wie manch andere Einrichtung. Am Jahresanfang ist nun außerdem Bernd Drücke zu unserem Leitungsteam gestoßen, worüber wir uns sehr freuen! Bernd Drücke ist promovierter Soziologe und persönlich wie wissenschaftlich auf alternative Druckerzeugnisse spezialisiert. Er hat über 22 Jahre als Koordinationsredakteur der Monatszeitung „Graswurzelrevolution“ gearbeitet und ist daher mit Vernetzung und Kommunikation bestens vertraut. Ein Glücksfall ist für das afas außerdem, dass er selbst das Archiv des Umweltzentrums Münster mit aufgebaut hat. Hinter uns liegen nun fast drei Monate der gemeinsamen Arbeit und Einarbeitung, die schön und konstruktiv waren. Ein guter Anfang! Unser Fundstück des Monats ist eine Zeichnung: Graswurzelrevolution-Cartoonist Roy Brick hat Bernd zum Einstieg in den neuen Job eine Archivleiter gezeichnet, die recht gut wiedergibt, welche auch körperlichen Erfordernisse die Arbeit im Archiv mit sich bringen kann.

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Februar 2021: Buttontuch aus dem BBU-Bestand

Unser Fundstück des Monats ist ein Tuch mit Buttons aus der Anti-Atomkraft-Bewegung. Das Logo der lachenden Sonne mit dem Zusatz: „Atomkraft – nein danke“ ist wohl das bekannteste Symbol der Anti-Atomkraft-Bewegung. Dieses wurde 1975 von der Aktivistin Anne Lund aus Dänemark entworfen. Auf unserem Tuch findet sich der Button in 20 verschiedenen Sprachen, insgesamt wurde das Logo in 45 Sprachen übersetzt und millionenfach verbreitet. Es entstanden auch verschiedene Variationen des Logos, von denen eine auf dem Tuch zu sehen ist: Die lachende Sonne mit erhobener Faust.

Das Tuch stammt aus dem Archiv des Bundesverbands Bürgerinitiativen Umweltschutz (BBU), welches das afas 2018 übernommen hat.
Der BBU wurde 1972 von 15 Gruppen und Initiativen aus dem Umweltschutzbereich als Dachverband gegründet, schnell kamen viele weitere Gruppen hinzu, so dass der BBU bald hunderte Mitgliedsinitiativen hatte. Er sollte die Arbeit der Gruppen koordinieren, dem Informationsaustausch dienen und eine breitere Öffentlichkeit herstellen. Die Satzung des BBU legte als Vereinszweck „die Erhaltung und die Wiederherstellung der natürlichen Lebensgrundlagen und der durch Umweltgefahren bedrohten öffentlichen Gesundheit“ fest. Ein großer Schwerpunkt des BBU war seit Beginn und ist auch heute noch der Kampf gegen die Atomkraft und die immer noch aktuelle Forderung nach einem sofortigen, globalen Atomausstieg. Während der Anti-Atomkraft-Proteste Ende der 1970er und 1980er Jahre (insbesondere nach Wyhl 1975 und Brokdorf Ende 1976) etablierte sich der BBU, auch durch die starke öffentliche Präsenz seiner Vorstandsmitglieder Hans Helmuth Wüstenhagen und Jo Leinen, als Sprachrohr der Bürgerinitiativen im Umweltschutzbereich. Weitere Themenschwerpunkte des BBU waren und sind u.a. der Kampf gegen Umweltgifte, Schutz des Klimas, Förderung regenerativer Energien, Abfallpolitik, Gewässerschutz und Verkehrspolitik.

Der Bestand des BBU wird zur Zeit erschlossen und ist zum Teil bereits in unserem internen Katalog recherchierbar.

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Januar 2021: Haberfeld Nr. 7 – Zeitschrift nicht nur für bayerische Gefangene

afas-Signatur: 90.III.4

Bei unserem Fundstück im Januar 2021 handelt es sich um die als katholische Publikation getarnte Anti-Knast-Zeitschrift Haberfeld Nr. 7 aus dem Bestand des Münsteraner Umweltzentrums. Um Bayerns Gefangenen ein eigenes Sprachrohr zu verschaffen, entschlossen sich im Winter 1984 Gefangene aus den Justizvollzugsanstalten in Straubing und Kiel zur Herausgabe von Haberfeld, einer „Zeitschrift gegen die Sprachlosigkeit und Knebelung des Lumpenproletariats“. Die aus Frauen und Männern bestehende Redaktion versuchte, sich jeglicher Einflussnahme durch die Anstaltsleitungen zu entziehen. Haberfeld konnte nur außerhalb der Gefängnisse gedruckt werden. Die „Zeitschrift für ausserbayrische Zensoren und bayrische Gefangene“ (Untertitel Nr. 3) wandelte sich zur bundesweit verbreiteten „Zeitschrift für Ausgegrenzte und Weggeschlossene“ (Untertitel Nr. 5, 6 und 8). Als Ziel nannte die Redaktion eine „HERRschaftsfreie Gesellschaft“. Die Anstaltsleiter reagierten mit Repression, die meisten Exemplare wurden von Vollzugsbeamten zur Habe genommen oder beschlagnahmt.

Mit der Nummer 7 gelang es den Macher*innen von Haberfeld die Zensur zu umgehen. Unser Fundstück erschien 1987 unter dem programmatischen Titel „Kardinal Josef Moser: Der Herr ist die Kraft meines Lebens. Eine Schrift an die Gefangenen“ als 182seitiges „Jahrbuch“. Als vorgeblicher Herausgeber fungierte der 1967 von der seelsorgerischen Schriften-Mission ins Leben gerufene Lukas Verlag. Im „Geleitwort“ richtete sich „Kardinal Josef Moser“ an die „lieben Gefangenen“: „Dies Schreiben ist etwas lang geraten. Doch Sie brauchen es ja nicht in einem Zug zu lesen; nehmen Sie Abschnitt für Abschnitt her, wenn Ihnen danach ist.“  Die anarchistischen, auf „Abschaffung des Knastsystems“ zielenden Inhalte dieser Ausgabe waren als solche nicht sofort zu erkennen. Sie wurden getarnt durch vermeintlich „christliche“ Abbildungen, Texte und Bibelzitate. Die Originalüberschriften wurden durch Tarntitel ersetzt. Auf einem zweiten Umschlag, der den außerhalb der Gefängnisse verkauften Ausgaben beigefügt wurde, hatte die Redaktion u.a. einen „Bastelbogen zur Korrektur“ mit den ursprünglichen und den geänderten Überschriften abgedruckt. Die Originalüberschrift „Diskussion zum Knast“ wurde beispielsweise ersetzt durch „Jesus weint über Jerusalem“, aus „Zwangsarbeit im Knast“ wurde „Paulus: ‚Wer da nicht arbeitet, soll auch nicht essen.’“, usw. Die Redaktion begründete ihre Vorgehensweise: „Anstelle der sauren Pflicht haben wir die süße Lust, den Zensoren ein Schnippchen zu schlagen, gewählt.“ Zensur verstoße gegen das Grundgesetz. Sie müsse öffentlich gemacht, bekämpft und aufgehoben werden.

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2020

 

Dezember 2020: Durchsuchungs-/Sicherstellungs-Protokoll vom 7.1.1992

afas-Signatur: NLO.37:277

Bei unserem Fundstück im Dezember 2020 handelt es sich um ein Durchsuchungs-/Sicherstellungs-Protokoll von 1992 aus dem Bestand des Umweltzentrum-Archivs aus Münster.  Das Umweltzentrum (UWZ) entstand 1980 aus dem Arbeitskreis Umwelt Münster (AKU) heraus als ein Zentrum für Gegenöffentlichkeit und Treffpunkt für politische Gruppen. Die AktivistInnen sammelten dort Informationsmaterial für ihre politische Arbeit und begannen so, ein Archiv aufzubauen, welches im Laufe der Zeit zu einem der größten Archive für alternative Bewegungen anwuchs. Im Bestand finden sich zum Beispiel Materialien zu Hausbesetzungen, zur Anti-Atomkraft-Bewegung, zu alternativen Lebensentwürfen, Antimilitarismus, Internationalismus und zur Frauenbewegung.

Das UWZ, Szenetreff und Bezugspunkt von autonomen und libertären Gruppen, wurde im Laufe des Bestehens von den Behörden beobachtet und mehrfach durchsucht. So auch am 7.1.1992: Anlass war die Anwendung des Paragraphen 129a StGB, der die Bildung und Unterstützung einer terroristischen Vereinigung unter Strafe stellt. In der Zeitschrift unfassba Nr. 7/8 wurde die Zusammenlegung von politischen Gefangenen gefordert. Dies wurde bereits als Unterstützung einer terroristischen Vereinigung angesehen und reichte aus als Grund für den Beginn eines Ermittlungsverfahrens gegen die Vorstandsmitglieder des UWZ und die Durchsuchung des Umweltzentrums, des Archivs und der Druckerei: Es sollte nach Hinweisen und Beweismitteln für die Urheberschaft, die Herstellung und Verbreitung der Zeitschrift durch den Vorstand bzw. das UWZ gesucht werden. Gefunden und beschlagnahmt wurden aber keine Exemplare oder gar Druckplatten der unfassba Nr. 7/8, sondern Druckplatten der unfassba Nr. 10 sowie einige Exemplare von anderen Zeitschriften. Ein breites Bündnis verschiedener Gruppen, darunter auch der Kreisverband der Grünen und die Katholische Studenten Gemeinde Münster, protestierte gegen die Durchsuchung und Kriminalisierung des Umweltzentrums. Ein Einspruch gegen die Beschlagnahmung war jedoch erfolglos, das Kammergericht Berlin erklärte diese am 6.2.1992 für rechtens.

Seit 2011 befindet sich das UWZ-Archiv im afas. Ein Teil dieses Bestandes konnte im Rahmen des diesjährigen Projektes dank Fördermitteln der Allgemeinen Kulturförderung des Landschaftsverbandes Westfalen Lippe, des Landes Nordrhein-Westfalen und der Hamburger Stiftung zur Förderung von Wissenschaft und Kultur erschlossen werden.

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November 2020: Gefälschte Bekanntmachungen

afas-Signaturen: P2.1409 / P2.1410

Normalerweise drucken Initiativen und politische Gruppen Flugblätter oder Broschüren, gelegentlich auch Plakate oder Buttons, um ihre Anliegen in die Öffentlichkeit zu tragen. Manchmal greifen sie aber auch zu subversiveren Methoden, die entweder der Aufklärung dienen oder gezielt Desinformationspolitik betreiben. So ist es schon vorgekommen, dass der Senat von Berlin wenige Tage vor einer Wahl per Hauswurfsendung die BürgerInnen darüber informierte, dass die Wahl wegen schlechten Wetters oder Glatteis ausfallen müsse. Beliebt sind auch Extrablätter lokaler Tageszeitungen, in denen Informationen verbreitet werden, die sonst nicht in der Zeitung stehen.

Beim Durchforsten unserer Plakatbestände sind zwei Plakate mit gefälschten Bekanntmachungen aufgetaucht, die wir als Fundstücke des Monats vorstellen möchten.

Zum einen handelt es sich um eine Mitteilung der Pressestelle des Senats der Freien Hansestadt Bremen vom 26. März 1985, in der Alternativen zur bestehenden Ausländerpolitik verkündet werden. So wird als Ergebnis einer Bürgerschaftssitzung zum Beispiel mitgeteilt, dass Ausländerpolizei und Ausländerbehörden umgewandelt werden sollen in Beratungsstellen für Einwanderer und Flüchtlinge. Außerdem werde ab sofort in Kindergärten, Schulen, Universitäten, Behörden und Betrieben, aber auch bei Rundfunk, Fernsehen und in Zeitungen die Mehrsprachigkeit eingeführt.

Im zweiten, hier vorgestellten Beispiel informiert die Stadt Bochum ihre „lieben Mitbürgerinnen und Mitbürger“ über einige erfreuliche Ereignisse wie die Einweihung des Aquadroms und die Premiere des Starlight-Express. Es gebe also allen Grund, „stolz auf unsere Stadt“ zu sein. Leider hätten aber Kritiker dieser Investitionen die „Forderung nach ausreichender und arbeitsunabhängiger Lebenssicherung für alle“ aufgestellt. Auch scheint ihnen die „Schließung von Bädern und Jugendfreizeithäusern“ ein Dorn im Auge zu sein  –  die Stadt bittet deshalb um „Verständnis dafür, daß alle schmerzliche Opfer bringen müssen, um Bochums Wirtschaft eine blühende Zukunft zu sichern“. Unterzeichnet ist diese gefälschte Bekanntmachung vom Oberbürgermeister und vom Oberstadtdirektor. Ein Datum trägt diese Bekanntmachung nicht; da die Premiere des Starlight Express im Juni 1988 stattfand, dürfte das Plakat im Sommer/Herbst 1988 gedruckt worden sein.

Interessant zu wissen: der Pforzheimer Bankier, der das Aquadrom finanzierte, wurde im Jahr 1990 wegen Betrugs und Untreue zu sechs Jahren und neun Monaten Freiheitsentzug verurteilt, von denen er viereinhalb Jahre absaß. 2003 wurde das Aquadrom geschlossen.

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Oktober 2020: Punktekatalog der Wohnungsgenossenschaft Rheinpreußensiedlung e. G.

Punktekatalog von 1987 zur Berechnung von Selbsthilfearbeiten aus der Sammlung Rheinpreußensiedlung (afas-Signatur: NLO.35)

Die Rheinpreußensiedlung, eine Bergarbeitersiedlung in Duisburg-Homberg, machte weit über die Stadtgrenzen hinaus vor allem durch die Aktionen der SiedlungsbewohnerInnen in den 1970er Jahren von sich Reden. Baggerbesetzung, Mahnwachen, Hungerstreik – der Kampf der Bürgerinitiative Rheinpreußensiedlung gegen den Abriss und später gegen die Privatisierung ihrer Häuser war lang und zäh, doch letztlich erfolgreich. Unser Fundstück des Monats entstammt einer Zeit, als der Kampf zwar gewonnen war, die Arbeit allerdings erst so richtig losging! Im Februar 1984 konnten die BewohnerInnen entscheiden, ob sie ihre Siedlung lieber vom „Homberger Bauverein“ oder von einer eigenen Genossenschaft verwaltet wissen wollen. Mit 272 zu 229 Stimmen entschieden sie sich für die Genossenschaft, die wenige Monate später gegründet wurde. Ziel der Genossenschaft war, die Häuser grundzuerneuern. Heute schrillen bei MieterInnen die Alarmglocken, sobald sie die Wörter „Sanierung“ und „Modernisierung“ hören. Um dem vorzubeugen, entwickelte die Wohnungsgenossenschaft Rheinpreußen ein Modell, das vor allem bezweckte, die Mieten auf lange Sicht niedrig zu halten. Konkret wurde das durch Selbsthilfe realisiert: Jeder Haushalt sollte eine „Muskelhypothek“ im Wert von 5.500 DM erbringen. Welche Selbsthilfeleistung wie viel „Wert“ hat, wurde in einem ausführlichen Punktekatalog – unserem Fundstück – festgehalten. Alte oder kranke BewohnerInnen konnten „auf Antrag“ von der Muskelhypothek befreit werden. Für sie erbrachten die anderen Genossenschaftsmitglieder einen Solidaranteil von 20 Prozent. In den einzelnen Abschnitten des Punktekatalogs, die von Erd- über Anstricharbeiten bis zu Elektroinstallation reichen, sind minutiös einzelne Tätigkeiten sowie die dafür zu erhaltenen Punkte angeführt. Das Vorwort ist einigermaßen streng verfasst, da heißt es etwa: „Von Selbsthelfern gemachte Fehler muß jeder Selbsthelfer auch selbst beseitigen. Wenn er dies nicht kann, wird der Fehler vom Handwerker beseitigt. Dies hat einen Punkteabzug zur Folge“. Für jede/n Selbsthelfer/in wurde eine Punktetabelle geführt – bei 300 Punkten war endlich der Wert von 5.500 DM erreicht. Die Punktetabellen sind leider nicht in unserer nun erschlossenen Sammlung der Rheinpreußensiedlung erhalten. Dafür sind die zahlreichen Akten, Korrespondenzen, Notizen, Protokolle, Planungsunterlagen und Flugblätter nun in 113 Verzeichnungseinheiten erfasst sowie über 300 Fotos aus der noch viel umfangreicheren Foto-Sammlung ausgewählt, digitalisiert und verzeichnet worden. In den nächsten Monaten werden wir außerdem die Plakate, vor allem zu Aktionen der Bürgerinitiative Rheinpreußen in den 1970er Jahren, digitalisieren und erfassen.

Die Erschließung dieses einzigartigen Bestandes zu einem noch heute brandaktuellen Thema war durch die finanzielle Unterstützung des Landschaftsverbands Rheinland, des Landes Nordrhein-Westfalen und der Hamburger Stiftung zur Förderung von Wissenschaft und Kultur möglich.

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September 2020: Gorleben-Protest: massives, emailliertes Schild „Urgeschichtliche Grabhügel“

afas-Signatur: OBJ.3:40; Größte 31×16 cm

Am 28. September 2020 legte die Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE) ihren Zwischenbericht für die Suche nach einem Atommüll-Endlager vor. Darin kommt Gorleben als mögliches Endlager für radioaktive Abfälle nicht mehr vor. Der Salzstock in Gorleben war über Jahrzehnte ein Kristallisationspunkt des Widerstands gegen Atomkraft und hat noch in den vergangenen Jahren gezeigt, dass auch mit dem deutschen Ausstieg aus der Produktion von Kernenergie das Problem einer sicheren Endlagerung noch lange nicht vom Tisch ist.

Mit unserem Fundstück des Monats möchten wir an den vielseitigen Anti-Atomkraft-Protest erinnern, der sich unter anderem in und um Gorleben in einem oft kreativen Widerstand äußerte. Das Schild mit der Aufschrift „Urgeschichtliche Grabhügel, geschützte Kulturdenkmale“ ist eine Fälschung: wie wir aus gut unterrichteter Quelle erfahren haben, hat nicht der niedersächsische Minister für Wissenschaft und Kunst dieses Schild in den 1980er Jahren anfertigen lassen, sondern eine Gruppe namens „Wunstorfer Spechte“. Etwa 80 Exemplare wurden der Bürgerinitiative Lüchow-Dannenberg zur Verfügung gestellt. Diese hat in der Umgebung von Gorleben überall dort die Schilder aufgehängt, wo Bohrungen zur Überprüfung der Tauglichkeit von Gorleben als geeignetem Endlager-Standort stattfinden sollten.

Reaktionen auf diese Aktion sind uns nicht bekannt. Auch zu den Wunstorfer Spechten schweigt das Internet. Wer verfügt über weitere Informationen zu dieser Gruppe? Über Hinweise freuen wir uns sehr!

Das Schild wurde dem afas vom Gorleben-Archiv überreicht. Dort, in Lüchow, liegen weitere Exemplare!

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August 2020: Transparente und T-Shirt aus der Anti-Apartheid-Bewegung und Umweltbewegung

Es hat lange gedauert, bis wir zueinander gefunden haben, aber nun ist es endlich gelungen. Renate Meinshausen, inzwischen 92 Jahre alt, hat 1974 die Anti-Apartheid-Bewegung (AAB) mit gegründet und war lange in diversen Bochumer Solidaritätsgruppen aktiv, etwa dem „Bochumer Aktionskreis Südliches Afrika“ (BASA), der „Zimbabwe Hilfsaktion“ (ZIHA) oder der „Bochumer Initiative gegen Apartheid“ (BIGA). Im Keller ihres Hauses betrieb sie einen kleinen Welt-Laden – und natürlich hatte sie auch mit der Umweltbewegung zu tun. Die meisten Materialien all dieser Aktivitäten hat sie nun dem afas überlassen. Darunter befinden sich auch Stelltafeln, Plakate, Fotos und Transparente. Die Dokumente selbst füllen fünf Umzugskartons und können wegen anderer Projekte erst in einigen Jahren erschlossen werden. Wir möchten trotzdem vorab vier Objekte aus der Sammlung als Fundstücke des Monats August präsentieren:

  • Das Transparent einer Kampagne, in der deutsche Soli-Gruppen zusammen mit einer studentischen Gruppe aus Zimbabwe Kleidung, Fahrräder und Medikamente für ein Flüchtlingslager in Mozambique gesammelt haben. Das Transparent stammt etwa aus der zweiten Hälfte der 1970er Jahre.
  • Zwei Transparente der Bochumer „Bürgerinitiative Giftverbrennungsanlage“, die Mitte der 1990er Jahre erfolgreich den Bau einer Verbrennungsanlage in der Nähe von Schulen, Kindergärten und Sportanlagen verhindert hat.
  • Ein T-Shirt aus den 1970er Jahren, auf dem kundgetan wird, dass der Träger / die Trägerin keine Outspan-Apfelsinen aus Südafrika isst. Das T-Shirt birgt noch ein besonderes Geheimnis, das sich erst auf den zweiten Blick erschließt: hinter dem Aufnäher „Ich esse keine Outspan-Apfelsinen“ verbirgt sich der Aufdruck „Boycot Sinaasappelen“; und hinter dem Aufnäher „Ich presse keinen Südafrikaner aus“ steht der Satz „Pers geen Zuid-Afrikaan uit“. Das T-Shirt stammt also aus den Niederlanden, wo tatsächlich schon ab 1972, also früher als in Deutschland, eine Boykott-Kampagne gegen Outspan-Orangen stattgefunden hat. Die deutsche Anti-Apartheid-Bewegung hat diese Kampagne 1974 aufgegriffen, bevor sie ab 1977 sehr erfolgreich von der Evangelischen Frauenarbeit in Deutschland weiterbetrieben wurde.

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Juli 2020: Straßenzeitungen in Köln

afas-Signaturen von Bank-Express, Bank-Extra und Draussenseiter alle: 27.III.95
afas-Signaturen: Nit hange loße!: 27.III.79,2° – Querkopf: 27.III.167 – Unter Null: 27.III.82 – Unterwegs: 27.III.230

Die Covid 19-Pandemie trifft alle. Aber arme Menschen, insbesondere Obdachlose, trifft sie besonders hart. Schon vor der Krise war das Leben auf der Straße nicht einfach. Straßenzeitungen konnten von Obdachlosen verkauft werden, um sich ein Zubrot zu verdienen. Nicht jedoch während der Kontaktbeschränkungen im Zuge des shut downs.

Das afas verfügt über einen umfangreichen Bestand verschiedener Straßenzeitungen aus dem ganzen Bundesgebiet, aber auch aus dem Ausland. Einen Schwerpunkt bildet Köln. 1992, vor fast dreißig Jahren, wurde die Zeitungslandschaft der Medienstadt Köln um den Kölner Bankexpress bereichert. Später erschien er als Bank-Extra. Eine ortsansässige Bank sah im Titel eine Verwechslungsgefahr mit den eigenen Veröffentlichungen, so dass der Name schließlich ab Juni 2010 in Draussenseiter geändert werden musste. Damit gehört der Draussenseiter mit seinen Vorgängern zu den ältesten Straßenzeitungen Deutschlands. Der Trägerverein betreibt darüber hinaus eine Kleiderkammer, ein Begegnungscafé sowie u.a. eine Beratungsstelle für Wohnungslose.

Die Kölner Mitmachzeitung von unge und deren Nachfolgerin Kumm erus! verstanden sich ausdrücklich nicht als Obdachlosenzeitung. Nachdem Ende 1997 beschlossen worden war, von unge einzustellen, konnten ehemalige von unge-Verkäufer*innen noch erreichen, eine einmalige Notausgabe mit dem Titel nit hange loße! Anfang 1998 erscheinen zu lassen und auf den Straßen zu verkaufen. Der in Köln herausgegebene Querkopf versteht sich lediglich als Verdienstmöglichkeit für Menschen in sozialen Notlagen. Weitergehende soziale Aufgaben, wie sie um andere Straßenzeitungen angesiedelt sind, kann und will Querkopf nicht leisten. Ein kurzlebiges Straßenzeitungsprojekt existierte mit Unter Null, einem Comic-Zeitungsprojekt von Künstler*innen und Wohnungslosen, das zwischen 1995 und 1998 in drei Ausgaben erschien. Unterwegs, das Blättchen gegen Obdachlosigkeit, Armut und Einsamkeit, erschien bis 2004 immerhin einunddreißig mal. Kontaktadresse war die Selbsthilfegruppe für Integration und Lebensqualität (SILQ) in Nippes.

Weltweit sind viele Straßenzeitungen im International Network of Street Papers (INSP) organisiert.

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Juni 2020: Plakat und Aufkleber von aktion ./. arbeitsunrecht: Tönnies stoppen!

Plakat und Aufkleber, c: aktion ./. arbeitsunrecht, Standort: afas. Plakat noch unverzeichnet.

Corona hat die Großschlachterei Tönnies im nordrhein-westfälischen Rheda-Wiedenbrück schwer erwischt, über 1.500 Angestellte (Stand 25.6.2020) sind mit Covid-19 infiziert, die Landkreise Gütersloh und Warendorf befinden sich wieder im Lockdown. Dazu hätte es nicht kommen müssen, wenn der Konzern Kritik, die es seit langem gibt, ernst genommen hätte.
Erinnert sei hier an eine Kampagne gegen Tönnies aus dem Jahr 2019, ausgelöst durch katastrophale Arbeitsbedingungen, Lohndumping und Union-Busting, die von der aktion ./. arbeitsunrecht ins Leben gerufen und durch rassistische Äußerungen von Clemens Tönnies selbst angeheizt wurde. Beim Tag des Handwerks in Paderborn war er als Festredner aufgetreten (Thema seines Vortrags: Unternehmertum mit Verantwortung – Wege in die Zukunft der Lebensmittelerzeugung) und hatte dort Steuererhöhungen im Kampf gegen den Klimawandel kritisiert. Stattdessen solle man lieber jährlich 20 Kraftwerke in Afrika finanzieren. „Dann würden die Afrikaner aufhören, Bäume zu fällen, und sie hören auf, wenn’s dunkel ist, Kinder zu produzieren“.

Die Aktion Arbeitsunrecht startete die Kampagne „Tönnies stoppen“ im August 2019 und rief für Freitag, den 13. September zu einem Aktionstag auf. Die Firma ging mit einstweiligen Verfügungen gegen Aktivist*innen vor, was jedoch nicht von Erfolg gekrönt war – Tönnies machte vor der Gerichtsverhandlung einen Rückzieher. Am 13. September fanden an 36 Orten Demonstrationen mit insgesamt 600 Teilnehmer*innen statt. Mitveranstalter waren unter anderen der BUND und die Kölner Gruppe von Fridays for Future. Tönnies selbst besuchte eine Gegenveranstaltung, wo unter dem Motto „Fridays for Fleisch“ Billigfleisch seines Konzerns gegrillt wurde.

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Mai 2020: Transparent zur Mai-Demo 1976

Die obligatorische Demo zum „Arbeiterkampftag 1. Mai“ fiel 2020 aus. Als kleine Entschädigung zeigen wir mit unserem Fundstück des Monats ein Transparent, auf obigem Foto zu sehen in vollem Einsatz bei der 1. Mai-Demonstration 1976 in Münster. Auf dem Transparent abgebildet: „das Volk“, wie es gegen „den Staat“, geschützt von einer Polizeikette, protestiert. Zu erkennen sind der damalige Bundeskanzler und Pfeifenraucher Helmut Schmidt (SPD) und sein Innenminister Werner Maihofer (FDP), hinter ihnen reckt ein Kirchenmann ein viel zu kleines Kreuz gegen die DemonstrantInnen, so, als wolle er mit der Kraft des Kreuzes den Teufel vertreiben  –  dabei handelt es sich bei den Protestierenden doch nur um ArbeiterInnen, die für die Rechte der Arbeiterklasse und Volkes, und natürlich für den Sieg des Sozialismus auf die Straße gegangen sind. So, wie die außerparlamentarischen politischen Gruppen der 1970er Jahre sich den Kampf von „denen da unten“ gegen „die da oben“ eben vorgestellt haben.

Das Transparent ist in Münster bei der Ortsgruppe des Kommunistischen Bundes Westdeutschland (KBW) entstanden und wurde von diesem zu allen möglichen Zwecken ausgepackt. Ein ehemaliger KBWler hat es bei der Auflösung bzw. Abwicklung des KBW Mitte der 1980er Jahre eingelagert und für ein paar Jahrzehnte vergessen. Vor einigen Wochen ist es in einem Münsteraner Keller wieder aufgetaucht, in erstaunlich gutem Zustand. Im afas hat es seine endgültige Bleibe gefunden und legt hier Zeugnis ab von vergangenen Kämpfen um eine gerechtere Welt.

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April 2020: PIPS

afas-Signatur: 5.III.4

Vielleicht ist es in corona-schweren Zeiten, in denen neben vielem anderen auch Kinobesuche und anderes Kulturleben kaum möglich sind, mal wieder angebracht, an PIPS zu erinnern.

Was ist PIPS? Eine U-Boot-Affäre? Ein Hygiene-Beutel? Eine Mittelgewichtskuh? Oder ist PIPS ein Höckerchen? Nichts von alledem. Von allem etwas. Und noch viel mehr.

PIPS war eine Zeitschrift für UnZeitgeist und Unkommerz und wurde von der PIPS-DADA-Corporation und Claudia Pütz ab Dezember 1986 in Bonn herausgegeben. PIPS gab’s im Laufe der Zeit in der Tüte, im Karton, in der Kiste und im Kasten. PIPS ist immer weiter über sich hinausgewachsen und verschwand schließlich im PIPS-DADA-Universum. Das letzte nachweisbare Signal stammt von 2009.

PIPS war eine Freude und eine Herausforderung. Eine Ausgabe ist von der Post nicht befördert worden, weil es in ihr klapperte und rappelte, aber nicht pipste. Dies sei, so befand die Post, gut & schön, aber keine Kunst  –  und schon gar keine Bücher-, sondern eine Warensendung, Und die gehöre anders frankiert, das sei doch klar.

PIPS war eine Zeitschrift für Objektliteratur. Sie erschien in einer Auflage von 100 bis 130 Exemplaren. Jedes beiliegende, papierne Objekt war nummeriert und signiert, zum Teil handkoloriert.

Durch PIPS erfuhr das afas eine ungeheure Bereicherung. So erhielten wir Streichhölzer, Wattestäbchen, eine Haschischpfeife aus Messing, Suppentüten, ein Reagenzglas mit Entenkonzentrat, das Kasseler Sonntagsblatt vom 2. Februar 1958, Nudeln, Kordeln, Vogelfedern, Muscheln, Dias, ein Schamhaar, einen unbenutzten Tampon, Strohhalme, einen in ein DIN A-4-Blatt montierten Kinderpuppenarm und vieles mehr.

PIPS besuchte jedes Jahr die Minipressen-Messe in Mainz. Dort erhielt sie 1995 den V.O. Stomps-Preis.

PIPS ist inzwischen Geschichte. Aber vielleicht ist es in corona-schweren Zeiten angebracht, an ein Projekt zu erinnern, das mit Leichtigkeit und viel Phantasie, aber auch großer Ernsthaftigkeit durch mehr als zwei Jahrzehnte gesegelt ist und mancherlei Anregungen gegeben hat.

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März 2020: Das afas wird 35!! Dokumente aus der Gründungszeit

Das afas damals
und heute

Unsere Fundstücke des Monats März haben wir dieses Mal in eigener Sache ausgewählt: genau vor 35 Jahren, im März 1985, wurde das afas aus der Taufe gehoben. Wir begehen das runde Jubiläum kontemplativ. Einerseits, weil größere Versammlungen wegen des Corona-Virus derzeit nicht weise sind. Andererseits, weil trotz aller positiven Entwicklungen das Archiv und seine Bestände immer noch nicht dauerhaft abgesichert sind und es daher nur bedingt Grund zu feiern gibt.

Neben dem Gründungsprotokoll vom 27. März 1985 zeigen wir hier einen Brief an die Vereinsmitglieder vom 7. November 1985. Jürgen Bacia berichtet von den ersten Beutezügen, die den Grundstock der Sammlung bildeten, und davon, möglicherweise einen Ort für das Archiv gefunden zu haben: eine ehemalige Schule in Duisburg-Rheinhausen. Tatsächlich beherbergten die alten Klassenräume in der umgewidmeten Schule das afas dann über 30 Jahre lang. Um viele Regalkilometer reicher, sitzt das Archiv mit seiner einzigartigen Sammlung nun in der Duisburger Innenstadt. Haben sich die Gründungsmitglieder das damals in etwa so vorgestellt? Viele von ihnen sind dem Verein noch immer treu. Sie haben also, wie das afas auch, einen langen Atem.

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Februar 2020: Ratschläge für Anfänger in der vegetarischen Lebensweise

Die „Ratschläge für Anfänger in der vegetarischen Lebensweise“ erschienen 1931 als Flugblatt Nr. 130 des „Bundes für radikale Ethik“ (B.f.r.E.). Der B.f.r.E. war 1907 von Magnus Schwantje (1877-1959) zunächst unter dem Namen „Gesellschaft zur Förderung des Tierschutzes und verwandter Bestrebungen“ gegründet worden. Seine Vorstellungen von radikaler Ethik umfassten neben dem Einsatz für Tierrechte und Vegetarismus auch den Pazifismus. Er arbeitete eng zusammen mit der Friedensbewegung und der Jugendbewegung seiner Zeit, auch mit Teilen der Frauenbewegung gab es Berührungspunkte. Schwantje gab die Zeitschriften „Ethische Rundschau“ (1912-1915) und „Mitteilungen des Bundes für radikale Ethik“ (1920-1932) heraus und publizierte zahlreiche Bücher und Broschüren. Der B.f.r.E. wurde 1933 verboten, Schwantje flüchtete vor dem Nationalsozialismus in die Schweiz, seinen Lebensabend verbrachte er ab 1949 verarmt in Deutschland.

Ungeachtet seiner großen Bedeutung für die Tierrechte- und Vegetarismusbewegung ist Magnus Schwantje lange in Vergessenheit geraten. Renate Brucker vom „Vegetarierbund Deutschland“ (inzwischen umbenannt in „ProVeg“) arbeitet diesem Vergessen seit Jahren entgegen und hat eine höchst informative Homepage entwickelt: Magnus Schwantje Archiv. Schwantjes umfangreicher Nachlass, der u.a. mehrere tausend Briefe enthält, befindet sich seit 2016 im afas, ist jedoch noch nicht erschlossen.

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Januar 2020: Klaus der Geiger wird 80  –  wir gratulieren ganz herzlich!!!

Vor einem Konzert in Duisburg im Oktober 2019 besuchten Klaus der Geiger, der wohl bekannteste Straßenmusiker Deutschlands, und sein musikalischer Partner Marius Peters das afas. Als Klaus der Geiger die ganzen Materialien der links-alternativen Szene Kölns in unseren Regalen sah, entschloss er sich, dem afas „seinen ganzen alten Kram“ zu überlassen. Wenige Wochen später hockten wir einen Nachmittag und Abend in seiner Wohnung zusammen und sichteten seine alten Unterlagen: jede Menge handgeschriebene Liedtexte, Flugblätter und Zeitungen politischer Gruppen, aber auch Berichte der Kölner Lokalpresse, die immer dann gerne über ihn schrieb, wenn Klaus mal wieder mit der Polizei überquer lag. Gründe, sich einzumischen, gab (und gibt) es genug. Ein Beispiel dafür ist der Kampf gegen die Abholzung alter Bäume am Kölner Kaiser Wilhelm Ring im Jahr 1985. Obwohl eine Initiative 25.000 Unterschriften gegen die Abholzung der Bäume gesammelt hatte, wurden die Bäume gefällt, um Platz für ein Parkhaus zu schaffen.

Als Fundstück des Monats Januar zeigen wir aus den Unterlagen von Klaus dem Geiger ein Flugblatt von 1985, in dem gegen das Fällen der Bäume protestiert wird, das handschriftliche Manuskript eines Liedtextes zu diesem Thema, sowie einen Linolschnitt aus einer Werkstatt in Tatti / Italien.

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 2019

September 2019: Ausstellungsvitrine zur „Literarischen Subkultur“

In der am 8. September 2019 eröffneten Ausstellung „Poesie, Prosa und Protest“ im Landesarchiv NRW sind auch einige Materialien des afas zu sehen: Neben Plakaten, Flyern und Sandwich-Umhängen hat das afas eine Vitrine mit alternativen Literaturzeitschriften zusammengestellt. Der Text dazu lautet:

„Poesie und Prosa dienen nicht nur der Erbauung, sie können durchaus politisch sein. So überrascht es nicht, dass im Gefolge der 1968er Studentenbewegung überall in der Republik kleine, unabhängige Literaturzeitschriften aus dem Boden sprossen. Schon die Titel drückten aus, dass sie anders sein wollten als die etablierten Blätter, denn sie nannten sich Stinkefinger, Alarm, Chaos & Co, Vergammelte Schriften, Stallgefährte, Der Korallenmönch, Der Metzger, Zeilensprung oder Kernbeisser. Ein Blättchen mit erotischer Literatur gab sich den schönen Namen Kallipygos-Briefe. In Bottrop betrieb Josef Wintjes gar ein Literarisches Informationszentrum, das subkulturelle Texte vertrieb und einen eigenen Informationsdienst namens Ulcus Molle herausgab.

Fast alle diese Blätter erschienen in Selbstverlagen und in kleinen Auflagen; Geld gab’s weder für die MacherInnen noch die SchreiberInnen. So wundert es nicht, dass viele dieser Kleinstzeitschriften nur unregelmäßig erschienen und nach wenigen Ausgaben ihr Erscheinen einstellen mussten. Dennoch lohnt die Beschäftigung mit diesen Blättern, denn neben dem Anspruch, zu provozieren dienten sie dazu, jungen & unbekannten AutorInnen ein Forum für erste Veröffentlichungen zu schaffen. Dies war notwendig, weil selbst die alternativen Kleinverlage nur die Etablierten unter den Linken druckten  –  nur diese versprachen den notwendigen Verkaufserfolg (so der Duisburger Kernbeisser in seiner ersten und wahrscheinlich einzigen Ausgabe aus dem Jahr 1978).“

Die Ausstellung läuft noch bis zum 30. Januar 2020.

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Mai 2019: Fotos in memoriam Peter Dohms (10. Mai 1941 – 6. Mai 2019)

Peter Dohms beim Eröffnungsvortrag der afas-Ausstellung am 3.7. 1997 in der Deutschen Bücherei Leipzig.
Peter Dohms, Irmgard Spencker (Direktorin der Deutschen Bücherei Leipzig), Jürgen Bacia in der Deutschen Bücherei Leipzig.
Peter Dohms, seine Frau Wiltrud, Petra Heine (afas-Gründungsmitglied) bei der afas-Eröffnungsfeier am neuen Standort in der Münzstraße am 24.2.2018.

Irgendwann um die Jahreswende 1995/96 hat Peter Dohms zum ersten Mal bei uns angerufen. Er hatte die Ausstellung in der Universitäts- und Landesbibliothek Düsseldorf gesehen, die dort anlässlich des zehnjährigen Bestehens des afas gezeigt wurde: „10 jahre archiv für alternatives schrifttum – 30 jahre druck von unten“. Bis zu diesem Moment kannten wir Peter Dohms nicht und wussten folglich auch nicht, dass er Direktor im Hauptstaatsarchiv Düsseldorf und verantwortlicher Redakteur (altmodisch hieß das damals Schriftleitung) der Fachzeitschrift „Archivar“ war. Wir erfuhren von ihm, dass er mit nur mäßigem Erfolg versucht hatte, im NRW-Landesarchiv eine halbwegs repräsentative Sammlung zu den Alternativ- und Protestbewegungen aufzubauen. Gerade weil das nicht gelungen war, erkannte er als einer der ersten „klassischen“ Archivare die Bedeutung der Freien Archive. Er lud Leute aus dieser Szene ein, im „Archivar“ zu schreiben. So auch uns – und so kam es, dass im Frühjahr 1997 ein Aufsatz von Jürgen Bacia und Petra Heine im „Archivar“ erschien: „Plädoyer für die Bewahrung der Geschichte von unten“.

Wenige Monate später, im Juni 1997, wurde die Düsseldorfer afas-Ausstellung in erweiterter Form in der Deutschen Bücherei in Leipzig gezeigt. Einerseits wollte man in der ehemaligen DDR gern die Dokumente der westlichen Alternativ- und Protestbewegungen zeigen, andererseits fürchtete man sich ein wenig vor der Eröffnungsveranstaltung. Sollte dort ein APO-Aktivist auftreten und statt des Festvortrages radikale Reden schwingen? Die Lösung war ganz einfach und hieß Peter Dohms. Am 4. Juli 1997 eröffnete er die Leipziger Ausstellung mit einem Vortrag zum Thema „Die Bedeutung freier Archive als Sammelstellen für nichtstaatliches Schriftgut“. Er wies darauf hin, dass die Neuen Sozialen Bewegungen maßgeblich das Gesicht unseres Staates geprägt haben, dass ihre Überlieferungen in den staatlichen und städtischen Archiven allerdings nur verstreut, unübersichtlich und fragmentarisch vorhanden seien. Dies liege daran, dass diese Einrichtungen „von dem Erscheinen bestimmter Publikationen keine Kenntnis erhalten oder sich mangels Personals und fehlender Kontakte zu den Neuen Sozialen Bewegungen außerstande sahen, die einschlägige Literatur zu beschaffen“. Sein Vortrag endete mit den Worten: „Gerade indem die in den Neuen Sozialen Bewegungen Handelnden ebenso wie die DDR-Oppositionellen dem gesellschaftlichen Leben ihres Landes wesentliche Impulse vermittelten, sind sie nicht selten zu ‚Vordenkern‘ einer Zukunft geworden, deren Errungenschaften die nachfolgenden Generationen ebenso selbstverständlich hinnehmen, wie wir es heute mit jenen politischen Werten und Rechten tun, die dereinst von den Revolutionären des Jahres 1848 artikuliert wurden. […] Wir stehen insofern in der Schuld gerade auch der Unbequemen und Alternativen und könnten uns ein wenig revanchieren, wenn wir bemüht bleiben, zumindest die Überlieferung so mitzugestalten, daß jene nicht vollends in Vergessenheit geraten.“

Auch für das letzte von Peter Dohms verantwortete Heft des „Archivar“ (danach ging er in den Ruhestand) lud er uns zu einem Artikel ein, und so erschien dort im Frühjahr 2006 ein Aufsatz von Jürgen Bacia und Dorothée Leidig unter dem Titel: „Geschichte von unten im Abseits. Plädoyer für die Stärkung freier Archive.“ Dieser Artikel öffnete endgültig die Tür für die Mitarbeit Freier Archive im Verband deutscher Archivarinnen und Archivare. Insofern ist die Freie Archivszene Peter Dohms wie keinem anderen „klassischen“ Archivar zu großem Dank verpflichtet.

Zuletzt gesehen haben wir ihn im Februar 2018: Er ließ es sich, gesundheitlich schon angeschlagen, nicht nehmen, zusammen mit seiner Frau Wiltrud an der Eröffnungsfeier des afas in den neuen Räumlichkeiten in der Duisburger Innenstadt teilzunehmen.

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April 2019: Wahlzettel und Wahlinformation zur ersten Freien Wahl in Südafrika im April 1994

Aus den Sammlungen: NLP.12 und NLO.30

Vor 25 Jahren, im April 1994, fanden nach Jahrzehnten der Apartheid in Südafrika die ersten Freien Wahlen statt. Insgesamt beteiligten sich 19 Parteien daran. Wie erwartet erhielt die Befreiungsbewegung African National Congress (ANC) mit ihrem Spitzenkandidaten Nelson Mandela die meisten Stimmen, doch dass sie mit 62,6% beinahe zwei Drittel der abgegebenen Stimmen auf sich vereinigen konnte, hatten selbst OptimistInnen nicht erwartet. Zweitstärkste Partei wurde die National Party (NP) mit dem bisherigen, weißen Staatspräsidenten Willem de Klerk mit 20,4% der Stimmen. Weit abgeschlagen folgte die Inkatha Freedom Party mit 10,5%. Der Pan Africanist Congress of Azania (PAC), über dessen Bedeutung es in der internationalen Solidaritätsbewegungen langwierige und zum Teil unversöhnliche Diskussionen gegeben hatte, konnte lediglich 1,2% der Stimmen gewinnen.

Die Wahlbeteiligung von über 80% zeigt, wie wichtig der Bevölkerung diese Wahl war. Birgit Rücker, die als Wahlbeobachterin für Misereor im schwarzen Township Sebokeng unterwegs war, berichtete: „Als wir durch Sebokeng fahren, verschlagen uns die kilometerlangen Menschenschlangen vor jedem Wahllokal die Sprache. Wie sollen sie alle nur jemals abgefertigt werden – und werden sie ebenso geduldig und friedfertig wie die Alten am Tage zuvor warten? Sie werden. Trotz knalliger Sonne, die es für diese Jahreszeit ungewöhnlich gut meint.“ (Zitat aus: Informationsdienst Südliches Afrika, Ausgabe 3/1994, S. 9)

Am 11. Mai 1994 wird die neue Regierung vereidigt, Nelson Mandela ist damit der erste schwarze Präsident von Südafrika. Im Rahmen des beginnenden Versöhnungsprozesses beruft er Willem de Klerk zu einem seiner Vizepräsidenten, und auch den ewigen Konkurrenten Mangosuthu Buthelezi von der Inkatha Freedom Party bindet er als Innenminister in sein Kabinett ein.

Das erste Fundstück des Monats zeigt den Wahlzettel mit den 19 angetretenen Parteien. Da viele Schwarze nicht lesen konnten, finden sich neben dem Namen der jeweiligen Partei auch deren Logo und ein Porträt des Spitzenkandidaten / der Spitzenkandidatin. Das zweite Fundstück zeigt ein Infoblatt des African National Congress, in dem der Ablauf des Wahlvorgangs bildlich dargestellt und explizit zur Wahl des ANC aufgerufen wird.

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März 2019: Wertgutschein für Flüchtlinge

Aus der Karawane-Sammlung mit der Signatur: NLO.27:1

Unser Fundstück des Monats ist ein „Gutschein zum Kauf von Ernährung und hauswirtschaftlichem Bedarf“, ausgestellt von der Stadt Ratingen im August 2005. Wie in vielen anderen deutschen Städten erhielten zahlreiche Flüchtlinge in Ratingen kein Bargeld, sondern Wertgutscheine. Diese konnten nur in ausgewählten Geschäften und nur für bestimmte Produkte eingelöst werden. Da sich gleichzeitig viele Supermärkte aus dem Gutschein-System wegen des hohen Bürokratieaufwandes herauszogen, mussten Flüchtlinge oft weite Strecken zum Einkauf zurücklegen, ohne Bargeld für etwaige Fahrkosten zur Verfügung zu haben. Auch das Einlösen des Gutscheins war nicht unproblematisch: so durfte der „Einkauf“ den auf dem Gutschein vermerkten Betrag weder über- noch signifikant unterschreiten.

Die in Wuppertal ansässige Organisation „Karawane“ setzt sich seit Ende der 1990er Jahre für die Rechte von Flüchtlingen und MigrantInnen ein. In Ratingen organisierte sie Proteste gegen das Gutschein-System: sie veranstaltete Kundgebungen, wandte sich in Briefen an den Bürgermeister der Stadt und machte bei einer Aktion im örtlichen Wal-Mart auf die diskriminierende Praxis aufmerksam. Um dort mit Gutscheinen „bezahlen“ zu können, mussten die Flüchtlinge gesonderte Kassen benutzen. Neben dieser Stigmatisierung und der Bevormundung, welche Produkte Flüchtlingen „zustehen“, kritisierten die Engagierten der Karawane, dass die Ratinger Stadtspitze den im damaligen Asylbewerberleistungsgesetz möglichen Ermessensspielraum nicht wahrnahm: so hätten es die Städte selbst in der Hand, in welcher Form sie die spärlichen Leistungen an die Flüchtlinge ausgäben. Der Ratinger Bürgermeister Harald Birkenkamp versicherte der Karawane, dass er alle rechtlichen Bestimmungen einhalte und seinen Ermessensspielraum bereits ausschöpfe.

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Januar 2019: Original-Briefe von Willy Brandt, Franz Josef Strauß und Winnie Mandela an Karl Schmidt / Aktionsgruppe Freiheit für Nelson Mandela

Die Erschließung von Sammlungen oder Nachlässen ist immer eine spannende Arbeit: Man erhält genaueren Einblick in die Arbeit einer Gruppe oder das Leben und Wirken einer Person, liest über interne Diskussionen und Konflikte, gescheiterte oder erfolgreiche Aktionen. Und man weiß anfangs nicht genau, welche Schätze sich unter den Materialien verbergen.
Die oben abgebildeten Original-Briefe von Willy Brandt, Franz Josef Strauß und Winnie Mandela stammen aus dem Teilnachlass des evangelischen Pfarrers und langjährigen Anti-Apartheid-Aktivisten Karl Schmidt. Dieser kam bei einem fünfjährigen Missionsdienst in Südafrika von 1966-1971 mit den Familien von inhaftierten ANC (African National Congress)-Kämpfern in Kontakt und erfuhr so von den Auswirkungen der Apartheid-Politik auf die schwarze Bevölkerung. Aufgrund seiner Apartheid-kritischen Haltung wurde er zunächst überwacht und von der Polizei befragt, bevor er schließlich 1971 mit seiner Familie ausgewiesen wurde. Zurück in Deutschland schloss er sich mit weiteren kirchlichen MitarbeiterInnen zum Mainzer Arbeitskreis Südliches Afrika (MAKSA) zusammen. MAKSA gab schließlich auch den Anstoß für die Gründung der westdeutschen Anti-Apartheid-Bewegung 1974.

Im Rahmen der Aktionsgruppe Freiheit für Nelson Mandela, die Karl Schmidt 1974 ins Leben gerufen hatte, schrieb er zahlreiche Briefe an Institutionen, Gruppen und prominente PolitikerInnen. In diesen informierte er über die Situation in Südafrika und Nelson Mandela und erbat Unterstützung für die Forderung, Mandela und andere politische Gefangene in Südafrika freizulassen. Oft antworteten bei solchen Aufrufen VertreterInnen oder ReferentInnen, manchmal erhielt Karl Schmidt aber auch eine persönliche Antwort der angesprochen Person: So begrüßte Willy Brandt in seiner Funktion als SPD-Vorsitzender in einem Brief vom 15. April 1975 Schmidts „Bemühen um eine sachgerechte Information der Bürger unseres Landes über die Entwicklungen im südlichen Afrika“, während Franz Josef Strauß, CSU-Vorsitzender und Mitglied des Deutschen Bundestages, ihm am 9. November 1977 vorwarf: „Leider sind Sie über die tatsächliche Lage in Südafrika völlig falsch unterrichtet. Die Probleme Südafrikas sind viel komplizierter als sie in der Öffentlichkeit dargestellt werden.“
Neben Original-Briefen von weiteren Bundestagsabgeordneten (z.B. Richard von Weizsäcker, Helmut Kohl, Lenelotte von Bothmer) und den deutschen Vertretungen von ANC (Südafrika) und SWAPO (Namibia) ist ein weiteres Highlight dieser Sammlung wohl der Brief von Winnie Mandela vom 1. November 1986. In diesem bedankte sie sich für die Solidaritätsbezeugung von Karl Schmidt und seiner Frau: „You boost our moral, your personal solidarity is a source of strength which we cannot do without at this very painful moment in our struggle.“

Alle Briefe aus: Sammlung Karl Schmidt, Signatur: NLP.12

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2018

 

November 2018: Aufkleber von 1967 und 1968

Aufkleber und Spuckis von 1967/68, noch ohne Signatur

Das 50-jährige Jubiläum von 1968 neigt sich dem Ende zu. Im afas spiegelte sich der runde Geburtstag an den Nutzungen und Anfragen wider und auch einige Ausstellungen zu „68“ wurden mit unseren Exponaten bestückt. 50 Jahre alt wurde in diesem Jahr ebenfalls das „linksprotestantische Magazin“ Amos aus dem Ruhrgebiet. Auf der Geburtstagsfeier in Bochum begegnete ein afas-Mitarbeiter vielen Menschen, die noch Graue Literatur „von früher“ aufbewahrt und nun dem Archiv überlassen haben. Ein damaliger K-Grüppler schenkte uns eine Mappe, die er als Schüler in den Jahren 1967 und 1968 mit einschlägigen Aufklebern und Spuckis verziert hatte. Sie illustrieren die Themen der politisierten Jugend: den Protest gegen Vietnam und für Frieden, die Notstandsgesetze, die Verhaftung von Fritz Teufel beim Schah-Besuch 1967 in Westberlin sowie die Wut auf den Springer-Konzern, der publizistisch seit 1966 die Entwicklung der Studentenbewegung „kritisch begleitete“.

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Oktober 2018: Die erste Ausgabe der Musikzeitung SPEX, erschienen im September 1980

afas-Signatur: 27.III.30

Soeben wurde bekannt, dass die legendäre Musikzeitschrift SPEX zum Jahresende 2018 ihr Erscheinen einstellt. Damit geht eine Ära, die im September 1980 begann, zu Ende. Die frühen Ausgaben erschienen im DIN A 3-Format und in schwarz-weiß. Das erste Editorial, unter einem schlecht belichteten Foto der Redaktion, war schlicht und selbstbewusst:

„Wir wollen uns hier erst gar nicht mit einer Selbstdarstellung aufhalten – das sollte eigentlich der Inhalt unserer Zeitung besorgen. Deshalb nur soviel: Der SPEX-Verlag gehört der Redaktion und ist keine Tochtergesellschaft irgendeines Großverlags oder einer Plattenfirma. Finanziell sind wir also ebenso unabhängig wie ungesichert. Wir brauchen die Zusammenarbeit mit freien Produzenten und neuen Gruppen, Berichte, Hinweise und Leserbriefe und freuen uns über jedes Echo.“

Das große Format blieb bis Februar 1981, der erste farbige Umschlag wurde im Oktober 1983 um das Heft gelegt. Auf dem Titel: eine herausfordernd in die Kamera blickende Kim Wilde. Das Interview mit ihr ist bis heute lesenswert, weil ungewöhnlich.

Für lange Zeit erschloss SPEX Wege in die avantgardistische (Rock-)Musik der Zeit, besprach aber auch Filme, Bücher, Ausstellungen. Wer heute in der SPEX schrieb, wurde morgen Künstlerin, Schriftsteller, Übersetzerin, Fotograf, DJ, Professor(in) oder Kulturtheoretiker: Peter Bömmels, Jutta Koether, Diedrich & Detlef Diederichsen, Kerstin & Sandra Grether, Mark Terkessidis, Clara Drechsler & Harald Hellmann, Dietmar Dath, Max Dax und Klaus Theweleit – um nur einige Namen zu nennen. Texte, die Marcel Beyer oder Rainald Goetz in SPEX geschrieben hatten, wurden in germanistischen Seminaren diskutiert, und der heute berühmte Fotograf Wolfgang Tillmans war lange Zeit sowas wie der Hausfotograf und einige Jahre sogar Mitherausgeber der SPEX.

Da nichts bleibt, wie es ist, nagte auch an SPEX der Zahn der Zeit. Um die Jahrtausendwende wurde das Blatt dem Münchener Verleger Alexander Lacher übereignet, 2007 wurde der Redaktionssitz von Köln nach Berlin verlegt – mit der Folge, dass fast die gesamte Redaktion absprang. Der Neustart als eher poptheoretisches Magazin ist nicht wirklich geglückt, die Einstellung des Blattes deshalb höchst bedauerlich, aber durchaus logisch.

PS.: Bis heute weist keine einzige der in der Zeitschriftendatenbank der Deutschen Nationalbibliothek (ZDB) vertretenen Bibliotheken die frühen Ausgaben der SPEX nach. Das afas benötigte viele Besuche in der Kölner Redaktion, bis endlich eines Abends Harald Hellmann, der in der benachbarten Redaktion der Kölner Illustrierten arbeitete, Diedrich Diederichsen bewegen konnte, mit uns im Keller der SPEX-Redaktion nach den frühen Ausgaben zu suchen. Glücklicherweise sind wir fündig geworden.

Und: das Archiv für alternatives Schrifttum hat ein Register aller bis 2004 in SPEX erschienen Artikel, Rezensionen und Nachrichten erarbeitet.

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August 2018: Plakat zum Einmarsch der Warschauer Paktstaaten in die Tschechoslowakei am 21. August 1968

Nachdruck durch Sozialistisches Osteuropakomitee, Hamburg 1974. 53×44 cm, Leihgabe aus Privatbesitz

Vor 50 Jahren, in der Nacht zum 21. August 1968, marschierten die Sowjetunion, Polen, Ungarn und Bulgarien mit mindestens 300.000 Soldaten in die Tschechoslowakei ein und beendeten damit den Prager Frühling. Die DDR sprach sich vehement für diese Invasion aus, hatte ihre eigenen Truppen auf Anordnung der Sowjetunion aber nur an der tschechoslowakischen Grenze stationiert. Der rumänische Diktator Ceausescu dagegen lehnte strikt diese Intervention ab.

Der Prager Frühling hatte im Januar 1968 damit begonnen, dass die stalinistische Führung der Kommunistischen Partei der CSSR abgelöst wurde durch den reformkommunistischen Flügel um Alexander Dubcek. In den Folgemonaten wurden die verkrusteten und autoritären Strukturen in Wirtschaft, Politik und Kultur aufgebrochen mit dem Ziel, in der CSSR einen demokratischen Sozialismus aufzubauen. Die Pressezensur wurde abgeschafft und es entwickelte sich eine offene und breite Diskussion in der Bevölkerung über die Zukunft des Landes. Die genannten Staaten des Warschauer Paktes glaubten jedoch, dass westliche Kräfte die CSSR aus der sozialistischen Staatengemeinschaft herausbrechen wollten und zerschlugen gewaltsam die Hoffnungen auf einen freiheitlichen Sozialismus.

Große Teile der westdeutschen Außerparlamentarischen Opposition hatten den Reformkurs der CSSR mit Sympathie verfolgt, zeichnete sich dort doch ein Weg jenseits der autoritären Kommunismusmodelle a la Moskau oder Peking ab. Allerdings hat der Einmarsch die sowieso schon bestehenden Konflikte innerhalb der westdeutschen Linken zwischen den moskau-orientierten Gruppen der alten Linken und den moskau-kritischen Gruppen der Neuen Linken verschärft.

Auch in den Jahren nach 1968 hat sich die „antirevisionistische“ westdeutsche Linke mit der Entwicklung in der CSSR beschäftigt und sich mit den dort verfolgten und eingesperrten Oppositionellen solidarisiert. 1974 wurde in der undogmatischen Linken ein Sozialistisches Osteuropakomitee gegründet mit dem Ziel, „die Informationslücke innerhalb der westdeutschen Linken über die Vorgänge in den osteuropäischen Staaten mit Berichten und Analysen zu schließen, um zum einen (   ) zu einer differenzierteren Einschätzung in Hinblick auf die Ostblockstaaten zu gelangen, zum anderen die politische Auseinandersetzung qualitativ sozialistisch zu beeinflussen“ (Info 5/6 des Sozialistischen Osteuropakomitees, März 1974, S. 5).

Zur Finanzierung seiner Arbeit druckte das Osteuropakomitee eines der bekanntesten Plakate nach, das nach dem Einmarsch in Prag 1968 an vielen Hauswänden klebte: Sozialismus Ja – Okkupation nein!!!

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Juli 2018: 100. Geburtstag von Nelson Mandela

Foto: Thomas Büchel, Standort: afas, Signatur: AAB.F3.5

Unser Fundstück des Monats ist ein Foto von Nelson Mandela, langjähriger Kämpfer gegen Apartheid und erster schwarzer Präsident Südafrikas, der am 18. Juli 2018 100 Jahre alt geworden wäre. Es zeigt ihn bei seinem ersten Besuch in Deutschland am 11./12. Juni 1990. Dieser Besuch fand nur vier Monate nach seiner Entlassung aus dem Gefängnis statt, in dem er insgesamt 27 Jahre seines Lebens als politischer Häftling verbringen musste. Mandela war 1964 als Anführer des bewaffneten Flügels des ANC wegen Sabotage und Planung des bewaffneten Kampfes zu lebenslanger Haft verurteilt und 1990 von Staatspräsident de Klerk freigelassen worden.
Während seines Deutschland-Aufenthaltes war auch ein Treffen mit der Anti-Apartheid-Bewegung (AAB) in der sambischen Botschaft geplant. Aus zeitlichen Gründen konnte an diesem Treffen jedoch nur Mandelas Frau Winnie teilnehmen: er selbst traf sich mit verschiedenen deutschen Politikern, unter anderem Bundeskanzler Helmut Kohl und SPD-Chef Willy Brandt. Zu einem Treffen der AAB mit Nelson Mandela kam es aber trotzdem: die AAB begrüßte ihn bei seiner Ankunft am Köln/Bonner Flughafen. Unser Foto zeigt ihn und Winnie mit der langjährigen Geschäftsführerin der AAB, Ingeborg Wick.

Das Foto stammt aus dem Archiv der Bundesgeschäftsstelle der AAB in Bonn, welches seit 1999 im afas aufbewahrt wird und unsere größte erschlossene Sammlung ist. Zu dieser gehören neben 1.000 Ordnern mit Unterlagen aus der politischen Arbeit der Gruppe auch zahlreiche Fotos, Plakate, Broschüren, Zeitschriften und Audiokassetten.
Die AAB, von 1974 bis zum Ende der Apartheid in der Bundesrepublik Deutschland aktiv, kämpfte auf mehreren Ebenen gegen die wirtschaftliche und politische Zusammenarbeit der Bundesrepublik mit dem Apartheid-Regime. Wichtige Kampagnen waren der Früchteboykott („Kauft keine Früchte aus Südafrika“), vor allem aber der Kampf gegen die militärisch-nukleare Zusammenarbeit zwischen der Bundesrepublik und Südafrika.

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Juni 2018: Flugblätter über die Türkei und Kurdistan

afas-Signatur: ARCH.PK:160

Viele unserer Archiv-Bestände sind Jahrzehnte alt, aber trotzdem von gleichbleibender Aktualität – wie die Auseinandersetzung um Kurdistan zeigt. Schon Ende der 1970er Jahre begannen in Deutschland lebende KurdInnen, sich zu organisieren, um auf die Repressionen und Verfolgungen in den kurdischen Gebieten aufmerksam zu machen. Die Kritik an türkischer Politik und türkischen Militäreinsätzen spielte dabei eine wesentliche Rolle. In einem Karton haben wir kürzlich einen ganzen Stapel mit Rundschreiben, Offenen Briefen und Flugblättern aus den 1990er Jahren gefunden, in denen es einerseits um die Lage von Kriegsdienstverweigerern in der Türkei und andererseits um die Solidarität mit KurdInnen geht. Hier zeigen wir nur eine kleine Auswahl: ein Flugblatt des AK Kurdische Frauen aus Dortmund, eines der DFG-VK über den türkischen Antimilitaristen Osman Murat Ülke sowie eine Pressemitteilung von KOMKAR, dem Verband der Vereine aus Kurdistan in Deutschland über schwierige Zeiten für türkeikritische Medien.

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Mai 2018: SchülerInnenzeitung „Cecinius“ aus Düsseldorf

1968 war nicht viel los in Düsseldorf. Die Universität war noch sehr klein und außerdem eine rein medizinische. Von einer „Studentenbewegung“ konnte, bis auf wenige, kleine Aktionen, keine Rede sein. Das zeigt auch ein aktuelles Forschungsmodul der Heinrich-Heine-Universität: Studierende untersuchten anhand archivalischer Quellen, welchen Einfluss „1968“ auf das Leben an der Hochschule hatte. Noch bis Ende Juli 2018 sind die Ergebnisse des Forschungsprojekts in einer Ausstellung in der Universitäts- und Landesbibliothek auf dem Düsseldorfer Campus zu sehen – auch einige schöne afas-Exponate können dort in Augenschein genommen werden.

In Düsseldorf machte 1968 eine ganz andere Gruppe von sich Reden, nämlich die SchülerInnen! Am Comenius-Gymnasium in Oberkassel wurde aus Protest gegen die Notstandsgesetze die Schule bestreikt und ein Teach-In abgehalten. Letzte Woche tauchten hier im afas in einem nicht näher bestimmbaren Karton drei Ausgaben der SchülerInnen-Zeitung „Cecinius“ auf, einem Gemeinschaftsprodukt des Gymnasiums für Jungen (Comenius) und der Cecilienschule, einer reinen Mädchenschule. Die vorhandenen Ausgaben sind aus den Jahren 1963 und 1964, werfen aber eindeutig ihre Schatten voraus: Beispielsweise finden wir schon 1963, lange bevor der Springerkonzern zum Angriffsziel der deutschen Linken wurde, eine harsche Kritik an Axel Springer und seiner BILD. Insgesamt ist die „Cecinius“ ambitioniert: Zensur am Schwarzen Brett oder das letzte Schulfest mit „Twist-Turnier“ werden genauso thematisiert wie der öffentliche Umgang mit dem Holocaust oder die Menschenrechtslage in Südafrika. Spannend aus heutiger Sicht sind auch die persönlich gefärbten Essays der SchülerInnen, in denen sie ihre Erlebnisse niederschreiben – beispielsweise berichtet ein Schüler von seinem Besuch im geteilten Berlin. Darin schildert er die allgegenwärtige sozialistische Propaganda und die Unfreiheit in Ost-Berlin, versäumt es dabei jedoch nicht, auch die schöne bunte West-Berliner Warenwelt zu problematisieren.

Mindestens ein Redaktionsmitglied verfolgte den Weg des kritischen Journalismus auch nach Schulende weiter: Hubert Maessen, Verfasser der oben genannten Springer-Kritik, war bis zu seinem Tod 2015 als Autor und Moderator beim WDR und im Deutschlandfunk tätig.

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April 2018: Dokumente zum Attentat auf Rudi Dutschke am 11. April 1968

Aus dem Ordner: Aachen/Alte AStA-Materialien

Am Gründonnerstag, den 11. April 1968, lauerte der junge Hitler-Verehrer Josef Bachmann dem wohl bekanntesten Sprecher der außerparlamentarischen Opposition, Rudi Dutschke, auf. Als dieser die am Berliner Kurfürstendamm 141 gelegenen Büros des Sozialistischen Deutschen Studentenbundes (SDS) verließ, schoss er Dutschke zwei Kugeln in den Kopf und eine in die Schulter. Dutschke überlebte den Anschlag nur knapp, war in den 1970er Jahren auch wieder politisch aktiv, starb aber an den Spätfolgen des Attentats an Heiligabend des Jahres 1979.
Überall in der Bundesrepublik trat über die Ostertage 1968 neben die permanente Diskussion die permanente Aktion. Die Verlagsgebäude des Springer-Konzerns, dessen Blätter seit langem gegen die APO gehetzt hatten, waren dabei das vorrangige Ziel der Wut, der Trauer und des Hasses. Das Westberliner Springer-Hochhaus wurde mit Steinen traktiert und durch eine Blockade sollte insbesondere die Auslieferung der Bild-Zeitung verhindert werden.
In Aachen lief alles ein wenig friedlicher ab. Der Allgemeine Studentenausschuss der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule (RWTH) rief zu einem teach in am 17. April auf. Am 16. April bat der Rektor die Mitglieder des Lehrkörpers der RWTH in einem Brief um ihre Teilnahme an dieser Versammlung:
„Im Einvernehmen mit den Dekanen setze ich für Mittwoch, den 17.4.1968 ab 16.oo Uhr ‚DIES‘ an. Ich bitte die Mitglieder des Lehrkörpers nach Möglichkeit an dieser Veranstaltung teilzunehmen.“
Auf dem fünfstündigen teach in, an dem 2.000 StudentInnen teilnahmen, wurde mit großer Mehrheit eine Resolution angenommen, in der es u.a. hieß:
„Durch gewaltlosen Protest und gewaltlose Aktionen muß die politische Lethargie durch sachliche öffentliche Diskussion politischer Alternativen ersetzt werden, um damit kritisches Bewußtsein zu schaffen und längst überfällige Reformen in Staat und Gesellschaft durchzusetzen“ (AStA-Info Nr. 5 / April 68).
Abgelehnt wurde dagegen eine Resolution des Aachener SDS, die sich kritisch mit der Politik des Springer-Konzerns auseinandersetzte und eine Enteignung des Konzerns forderte.
Notiz am Rande: diese abgelehnte Resolution bestand aus Versatzstücken einer Grundsatzerklärung des Bundesvorstands des SDS „zur Kampagne für die Enteignung des Springer-Konzerns“, die dieser am 14.4.1968 veröffentlicht hatte (ein Nachdruck findet sich in: neue kritik 47/1968, S. 7ff.).

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März 2018: Broschüre „Projekt: linke Tageszeitung“

Im Frühjahr 1978 publizierte die Initiativgruppe des Projekts „linke Tageszeitung“ eine vierseitige Broschüre. Unter dem Motto „Für ein besseres Frühstück 1979“ sollte diese die Entwicklung einer linken Tageszeitung skizzieren sowie zur Diskussion über selbige einladen. Die HerausgeberInnen gaben als geplantes Erscheinungsdatum den Anfang des Jahres 1979 an. Die seit September 1978 bereits unregelmäßig herausgegebene taz, erschien ab dem 17. April 1979 dann auch tatsächlich regelmäßig.

In der politisch aufgeladenen Atmosphäre des ‚deutschen Herbst‘ reifte das Vorhaben zwischen dem 5. Treffen der Alternativ-Zeitungen im Oktober 1977 und dem TUNIX-Kongress im Januar 1978 von einer bereits länger vorhandenen Idee einer linken Tageszeitung allmählich zu ihrer konkreten Verwirklichung. In diesem Zusammenhang schreiben die VerfasserInnen, dass die Broschüre „für uns die erste, das heißt interne Phase auf dem Weg zur Verwirklichung ab[schließt]“. Sie präsentieren in sechs Thesen den Charakter der neuen Zeitung: von „Objektivität – Nein Danke“ bis hin zu „Quer zu den Sachzwängen“.

Um den offenen Charakter des Projekts zu unterstreichen und weitere Diskussionen anzuregen wurden außerdem die Erwartungen von zwei künftigen Lesern abgedruckt. Dieter Braeg möchte ein „Blatt von unten“ lesen, welches eine Alternative zu den sonstigen „konservativen Blättchen“ darstellt. Er äußert den pragmatischen Wunsch, dass die neue Zeitung nicht zu groß sein, also „Straßenbahnformat“ haben sollte (ein Wunsch, den die taz erfüllte). Und natürlich hat auch Fritz Teufel seine Grüße aus dem Gefängnis Moabit an die neue Tageszeitung gesendet, von welcher er „viel zu viel“ erwarte, und zwar nicht weniger als dass sie „alle glücklich macht“ sowie alle Mauern „wegfegt wie nix“.

Gut 40 Jahre ist das Versprechen eines besseren Frühstücks nun her – ob es besser geworden ist, entscheiden die LeserInnen der taz von Ausgabe zu Ausgabe, von Jahr zu Jahr neu.

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Februar 2018: Foto Hungerstreik Rheinpreußensiedlung

Vor 40 Jahren, in der zweiten Hälfte der 1970er Jahre, kämpften die BewohnerInnen der Rheinpreußensiedlung in Duisburg-Homberg um den Erhalt ihrer Zechenhäuser. Als 1975 bekannt wurde, dass die private BHF-Bank rund 600 Wohnungen verkaufen, also privatisieren wollte, gründete sich eine Bürgerinitiative, die das verhindern wollte.
Mit zwei Hungerstreiks vor dem Duisburger Rathaus wollte die Bürgerinitiative die Stadt zwingen, die Siedlung zu kaufen. Der erste Streik im Jahr 1977 wurde erfolglos nach wenigen Tagen abgebrochen. Doch der zweite, 18 Tage dauernde Hungerstreik, hatte Erfolg: Mit Unterstützung des Landes NRW kaufte die Stadt den Restbestand der Siedlung von der BHF-Bank für 27 Millionen DM an.
Damit war der Weg frei für die Gründung einer Genossenschaft.

Das Foto zeigt eine Szene während des 18-tägigen Hungerstreiks im Februar 1979 vor dem Eingangsportal des Duisburger Rathauses. Es ist Teil des vor kurzem vom afas übernommenen Archivs der Rheinpreußensiedlung. Eine afas-Signatur existiert noch nicht.

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Januar 2018: Originalgrafik in der Fabrik-Zeitung

Die Oberhausener „Fabrik K14“ wurde 1969 gegründet und ist somit das älteste sozio-kulturelle Zentrum Deutschlands, das noch existiert. Der dazugehörige Verein trat damals an, um dem erstarkenden Neofaschismus eine aufklärerische und politische Kulturarbeit entgegenzusetzen – aber auch Kneipe und Kunst sollten nicht zu kurz kommen!

Viele Jahre, von 1975 bis 1981, brachten die Fabrik-Engagierten eine eigene Zeitung heraus. In der ersten Ausgabe der „Fabrik-Zeitung“ von 1975 schreiben die MacherInnen, dass sie ein Forum bieten und die BesucherInnen motivieren möchten, den Fabrik-Alltag mitzuprägen: „Gar nicht hingehen, aber hinterher über Programme meckern, ist schlecht. Es muß einfach mehr und besser diskutiert und geplant werden, Mitarbeit an der Gestaltung der Fabrik sollte hartnäckig betrieben werden.“ In der letzten Ausgabe im Jahr 1981 heißt es weiter optimistisch: „Überhäuft uns mit Beiträgen, Briefen, Fotos und Kritiken. (…) Die nächste Zeitung soll Mitte September erscheinen.“ Doch zu dieser Ausgabe kam es leider gar nicht mehr. Es wurde eine ambitionierte Zeitung eingestellt, in der die politische Großwetterlage in Verbindung mit dem Leben im überschaubaren Oberhausen betrachtet wurde. Zum Redaktionsteam gehörte auch Walter Kurowski aka „Kuro“, der die Zeitung über die Jahre hinweg mit seinen Karikaturen bebilderte und leider im Oktober 2017 verstarb.

Junge Studentinnen, die die Fabrik-Zeitung kürzlich bei uns im Archiv für eine Seminararbeit einsahen, waren besonders begeistert von den beigelegten Grafiken, die sie in den einzelnen Ausgaben fanden. Die ZeitungsmacherInnen hatten sich seinerzeit Folgendes ausgedacht: Einer Teilauflage jeder Ausgabe sollte jeweils ein kleines, handsigniertes Kunstwerk beigefügt werden. So konnten die LeserInnen einerseits für wenig Geld (10 bis 15 DM) eine echte Grafik erstehen und die „Fabrik-Zeitung“ andererseits ihre Kasse aufbessern. Das hier neben der Titelseite der Fabrik-Zeitung abgebildete Fundstück des Monats ist ein Holzschnitt des spanischen Malers Miguel Garcia Villaescusa. Die ausdrucksstarke Grafik war der Ausgabe 8 im Jahr 1977 beigelegt.

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2017

Dezember 2017: Plakat: Fällt Weihnachten aus?

Plakat der Arbeitsgruppe SOS Rassismus, ca. 1991.

Aus gegebenem Anlass.
Das afas wünscht schöne Weihnachten und erholsame Tage zum Jahresausklang!

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November 2017: Holzanhänger politische Gefangene Chile

Cora Penselin gründete 1976 gemeinsam mit chilenischen und deutschen Frauen die Kinderhilfe Chile Bonn, die bis kurz nach der Jahrtausendwende ganz praktische Solidarität mit den Menschen in Chile während der Diktatur Pinochets übte. Die in der Kinderhilfe engagierten Frauen bauten einen engen und regen Kontakt zu oppositionellen Organisationen in Chile auf. Das Kunsthandwerk von dort organisierten Chileninnen, allen voran die spektakulären Arpilleras, die Wandteppiche, die bildreiche Szenen aus dem chilenischen Alltag unter der Diktatur zeigten, verkaufte die Kinderhilfe in Deutschland und schickte den Erlös zurück nach Chile. Die oft von Verfolgung und Repression betroffenen ChilenInnen, die mit der Kinderhilfe zusammenarbeiteten, konnten mit dieser finanziellen Unterstützung Bildungs- und Freizeitprogramme oder den Aufbau eines Comedor, eines Mittagstisches für Kinder aus ärmeren Familien realisieren. Die Kinderhilfe arbeitete jedoch nicht rein karitativ, sondern bezog eindeutig politisch Partei. In Deutschland informierte sie die BürgerInnen über die Menschenrechtslage in Chile, über die Verhaftungen und die Verschwundenen, sie appellierte aber auch beharrlich an deutsche PolitikerInnen, ihren Einfluss geltend zu machen.

Die umfangreiche Kinderhilfe Chile-Sammlung der 2009 verstorbenen Cora Penselin haben wir im letzten Jahr erschlossen. Unser Fundstück des Monats ist erst nachträglich ins afas gelangt: Kürzlich besuchte uns Ruth Schlette, eine langjährige Weggefährtin Penselins. Die beiden Frauen waren während der Diktatur zweimal auf Einladung der Vicaría de la Solidaridad nach Chile gereist. Viele warnten vor den hohen Risiken für Chile-Reisende, doch Cora Penselin und Ruth Schlette wollten sich selbst ein Bild von der Situation vor Ort machen, Gespräche mit Menschen aus dem Widerstand führen und traten die Reise an. Ruth Schlette schrieb zu ihren Eindrücken 1983: „An den Freunden selbst erfuhr ich die Isolierung, in der sich Menschen befinden, die sich auf die Seite der Opfer schlagen, obwohl sie mit ein bisschen Anpassung so viel leichter leben könnten. Aber ich erlebte auch die Kraft des Widerstehens, die Klarheit des Urteils, die Phantasie, die unbändige Hoffnung, die Zärtlichkeit, den Witz der Chilenen.“ Bei ihrem Besuch bei uns, rund 35 Jahre nachdem sie diese Zeilen verfasste, hatte Ruth Schlette einige Ergänzungen zur Sammlung Penselins im Gepäck, die sie uns überließ. Auch der Holzanhänger war darunter. Er wurde von politischen Gefangenen in der Haft angefertigt. Zu sehen ist ein Mann entschlossenen Blickes vor den Gitterstäben seines Zellenfensters, er ballt die Hand zur Faust. Die abgebildeten Buchstaben P.P. stehen für „Prisioneros Políticos“, politische Gefangene. Der Holzanhänger bringt die Standhaftigkeit und Ausdauer der oppositionellen Kräfte Chiles auf den Punkt: Trotz aller Widrigkeiten, trotz Unterdrückung, Verfolgung, Folter und Mord führten sie ihren Kampf gegen das Militärregime Pinochets entschieden und nahmen dafür auch persönliche Einbußen in Kauf. Viele Verhaftete und Gefolterte leiden bis heute unter den traumatischen Erlebnissen.

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Oktober 2017: Buch mit Tarnumschlag

In Grabbelkisten auf Flohmärkten oder in Secondhand-Läden finden sich zuweilen recht überraschende Dinge. So wurde unser Fundstück des Monats, ein auf den ersten Blick recht unscheinbares Büchlein, von einer Bochumer Aktivistin in einem Secondhand Laden in Berlin für 50 Cent erworben. Es handelt sich, jedoch nur oberflächlich, um eine Ausgabe des „Nuove Tavole Logaritmiche“ von Clemente Bonfigli, die so gar nichts mit unserem Sammelgebiet gemein hat.

Lässt man sich jedoch vom harmlosen Titel nicht täuschen und schlägt das Buch auf, so springen einem anstatt der erwarteten mathematischen Tabellen die Namen Brigitte Mohnhaupt, Ulrike Meinhof, Holger Meins und RAF ins Auge. Der täuschende Umschlag wurde offenbar mit dickem Klebeband um das 232 Seiten starke Buch geklebt, um dessen Inhalt zu verbergen.

Es handelt sich hierbei um die Vorstellung verschiedener linksradikaler Gruppen wie Rote Armee Fraktion, Bewegung 2. Juni und Revolutionäre Zellen in Deutschland und ist aus der Sicht einer italienischen Sympathisantin oder eines italienischen Sympathisanten geschrieben. Das Buch ist vermutlich kurz nach dem Tod Ulrike Meinhofs in der Haft Ende 1976 erschienen, bereits im Vorwort äußert sich der/die unbekannte AutorIn ausführlich zum Tode Meinhofs und bezeichnet diesen als Mord. Die mit dem Mord bezweckte Lähmung der militanten Bewegungen sei aber nicht eingetreten: „la guerriglia urbana non è finita“. In den Kapiteln folgen ausführliche Analysen und Beschreibungen der politischen Situation in Deutschland sowie der oben genannten Gruppierungen. Daneben finden sich italienische Übersetzungen einiger Original-Dokumente wie Briefe von Ulrike Meinhof oder Texte der RAF.

Leider gibt es keine nähren Infos zur Entstehung des Buches, der Tarnumschlag aber lädt zu Fragen und Vermutungen ein: Konnten auch in Italien Texte von und zur militanten Linken nur auf diese Weise verbreitet oder in der Öffentlichkeit gelesen werden? Oder sollte der Umschlag bei Grenzkontrollen zwischen Deutschland und Italien den heiklen Inhalt verstecken?

Fest steht nur, dass es auch in Italien Personen gab, die der Ideologie und der Politik der gewaltbereiten Linken nahestanden und bereit waren, Briefe, Prozessaussagen und programmatische Texte auf Italienisch zu übersetzen.

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September 2017: Wir sind eingezogen!

 

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August 2017: Wir ziehen um!

 

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 Juli 2017: Wir ziehen um!

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Juni 2017: Dokumente zum 2. Juni 1967

Aus der Sammlung G.: Ordner „Dokumente und Presseausschnitte 1967/68“

Vor 50 Jahren, am 2. Juni 1967, wurde in Berlin der Student Benno Ohnesorg bei einer Demonstration gegen den Schah von Persien erschossen. Als Schah Reza Pahlevi und seine Frau Farah Diba sich bereits in der Deutschen Oper befanden, löste die Polizei die vor der Oper stattfindende Demonstration gewaltsam auf. Polizeibeamte verfolgten die fliehenden DemonstrantInnen bis in die nahegelegenen Nebenstraßen und prügelten wahllos auf sie ein. In einem Hinterhof in der Krummen Straße erschoss der Polizist Karl-Heinz Kurras Benno Ohnesorg aus nächster Nähe von hinten mit einem Kopfschuss. Die Umstände des Todes wurden lange verschleiert. Irritierend war auch, als 2009 bekannt wurde, dass Kurras für die DDR-Staatssicherheit gearbeitet hatte.

Kaum ein Ereignis hatte so nachhaltige Auswirkungen auf die Entwicklung der Bundesrepublik wie der Mord an Benno Ohnesorg. Die studentische Protestbewegung wurde zu einer Massenbewegung an vielen Universitäten. Später gab sich eine militante Gruppe den Namen „Bewegung 2. Juni“. Im Laufe der Jahrzehnte gab es Bücher, Filme und Tagungen zum 2. Juni 1967 und zum Tod von Benno Ohnesorg. Die Aufarbeitung dauert bis heute an. Das von Alfred Hrdlicka 1971 geschaffene Denkmal „Der Tod des Demonstranten“ konnte erst 1990 vor der Deutschen Oper aufgestellt werden. Seit 1992 trägt eine Brücke in Hannover Ohnesorgs Namen. Am 2. Juni 2017 sagte der Berliner Justizsenator Dirk Behrendt während einer Gedenkfeier: „Heute möchte ich die Opfer dieser Gewalt und Willkür, deren Täter nicht oder nicht ausreichend belangt wurden, um Entschuldigung bitten.“ Selbst im Berliner Polizeihistorischen Museum gibt es seit dem 1. Juni 2017 eine Sonderausstellung unter dem Titel „Heute Student morgen tot. Der 2. Juni 1967 durch das Objektiv der Polizei“.

Die Fundstücke des Monats stammen aus München, von wo der Schah am Morgen des 2. Juni Richtung Berlin aufgebrochen war. Auch dort hatte es während des Schah-Besuchs Proteste gegeben, die sich nach dem Tod Ohnesorgs verstärkten. Der außerordentlichen Situation sowie den kursierenden Fehlinformationen ist es geschuldet, dass in den Flugblättern Fehler vorkommen. So wurde selbst der Name Ohnesorgs falsch geschrieben, und auch die Todesursache („von der Polizei erschlagen“) geht auf eine Fehlinformation zurück. Das mit „MORD“ überschriebene Flugblatt wurde in der Nacht vom 2. auf den 3. Juni in München verteilt und verklebt. Dies wiederum führte am 3. Juni zu einer Hausdurchsuchung beim Sozialistischen Deutschen Studentenbund (SDS) und zur Beschlagnahme der Restauflage des Flugblattes. Begründung: „Verstoß gegen die Plakatverordnung“. Außerdem enthalte das Flugblatt keinen Druckerei- und Verlagsvermerk.

Trotzdem nahmen am 5. Juni mindestens 7.000 Personen an einem Schweigemarsch durch München teil.

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Mai 2017: Feministisches Zine „Die Krake“

Unser Neuzugang erscheint schon seit 2006, ist aber, zu Unrecht, bislang ein wenig an uns vorbeigegangen. Das Heft gibt mit seinem wohlformulierten Untertitel „Künstliche Beziehungen für unnatürliche Frauen“ das Programm vor: Es geht um Zwischenmenschliches, Selbstbestimmung und (Un)Alltägliches jenseits von Geschlechternormen. So zirkulieren die reflektierten und subjektiven Beiträge um Polyamorie und Monogamiekritik, Liebe, Gefühle und Sexualität im Lesben-, Queer- und *-Universum. Das ist aber auch für Menschen, die sich in heterosexuellen romantischen Zweierbeziehungen am wohlsten fühlen, spannend, etwa wenn es um Eifersucht mit all ihren Implikationen geht. Die Ausgaben sind mit selbstironischen Comic-Strips und Foto-Love-Stories oder mit visuellen Anleihen aus vergangenen Jahrzehnten und Jahrhunderten bespickt. Und auch das Kraken-Motiv wird konsequent durchgezogen: es gibt Kraken-Collagen, Fotos von Kraken-Kuchen oder Kraken-Nestern auf dem heimischen Balkon. Warum hält eigentlich die Krake als Namensgeberin für ein queer-feministisch-lesbisches Zine her? „Kraken gelten als die intelligentesten Weichtiere. Kraken sind in der Regel sehr scheu, jedoch neugierig (…). Kraken haben 3 Herzen und 9 Gehirne“.

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April 2017: Vorschlag zur Gründung eines „Friedensforum Duisburg“

Aus Sammlung NLO.17:3 (Friedensforum Duisburg)

Im Zuge der Friedens- und Ostermarschbewegung schlossen sich auch in Duisburg viele BürgerInnen in verschiedenen Gruppen, Arbeitskreisen und Initiativen zusammen. Aus den lokalen Friedensinitiativen formierte sich im Laufe der Zeit ein Organisationsausschuss, der die Koordinierung der Aktionen der Duisburger FriedensaktivistInnen übernahm.
Anfang 1989 beschlossen die Mitglieder des Organisationsausschusses ein Friedensforum zu gründen. Unser Fundstück des Monats ist ein Text von drei AktivistInnen, der mit der Einladung zur Vorbereitungssitzung für den Ostermarsch 1989 am 30. Januar verschickt wurde. Er trägt den programmatischen Titel: Eine neue Struktur für die Friedensbewegung ist notwendig!
Es wird die Gründung eines „Friedensforum Duisburg“ vorgeschlagen, denn in einem solchen könne man besser den geänderten Anforderungen an die Friedensbewegung Rechnung tragen: Zwar gebe es weiterhin viele Menschen, die mit den Werten der Friedensbewegung übereinstimmten, aber leider immer weniger, die sich tatsächlich in der Friedensbewegung engagierten, unter anderem auch, weil viele Organisationen, Parteien und Gruppen eigene Friedensarbeit machten. Daher sei ein Friedensforum, in dem alle Gruppen der Duisburger Friedenszene („Gewerkschaften über Kommunisten, Sozialdemokraten und Grünen bis hin zu Friedensinitiativen, Kirchen,…“) zusammenarbeiten der richtige Weg. Dieses Friedensforum sollte vierteljährlich tagen und „einen Arbeitsausschuss bilden, der die Arbeit zwischen den Sitzungen koordiniert“. Jede Sitzung sollte eröffnet werden mit einem Referat zur politischen Lage des Friedens.
Ein Schwerpunkt der friedenspolitischen Arbeit des Friedensforums war und ist bis heute die Vorbereitung des jährlichen Ostermarsch Ruhr in Duisburg. Daneben initiierte und beteiligte es sich an vielen weiteren Aktionen, Kundgebungen und Demonstrationen gegen Krieg, für Abrüstung und Frieden. Auch lokale Probleme wurden in Angriff genommen, so äußerten in den 1980er Jahren AktivistInnen des Friedensforums starke Kritik an einem Ehrenmal auf dem Friedhof Kaiserberg in Duisburg und dem dortigen Heldengedenken durch reaktionäre Gruppen. Viele Kundgebungen, meist gemeinsam mit anderen Duisburger Initiativen wie dem Duisburger Bündnis gegen Rechts, richteten sich gegen das vermehrte Auftreten von rechtsextremen Gruppen in der Stadt.

Unsere Sammlung des „Friedensforum Duisburg“ umfasst Materialien aus den 1980er Jahren bis Ende 2010, das Friedensforum ist noch heute aktiv: http://friedensforum-duisburg.de/

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März 2017: Transparent „Frauen sind die halbe Welt … und wollen Frieden für die ganze Welt“

Das Transparent in Aktion. Foto: Ingrid Menk
Angefertigt von Ingrid Menk, Duisburg. Baumwolle mit aufgeklebten Buchstaben und Motiven. Ca. Mitte der 1980er Jahre. 1,40 x 2,30 m. Signatur: T0107

Wir kannten das Transparent, weil wir viele schöne Transparente von Ingrid Menk überlassen bekommen haben. Doch im Unterschied zu den anderen Transparenten von Menk war „Frauen sind die halbe Welt“ am längsten unterwegs, also im Einsatz. Erstmals wurde es bei einer Veranstaltung des Deutschen Gewerkschaftsbundes zum 8. März Mitte der 1980er Jahre genutzt. Der Slogan „Frauen sind die halbe Welt“ wurde seinerzeit von den Gewerkschaftsfrauen ergänzt mit „und wollen Frieden für die ganze Welt“. Damit hatte es für die nächsten Jahrzehnte seine Heimat bei der Friedensbewegung gefunden. Bis vor ein paar Jahren wurde es zum Auftakt des Ostermarsches Ruhr in der Duisburger Innenstadt aufgehängt. Dann hatte es irgendwann seine Schuldigkeit getan und landete als letztes der liebevoll und detailreich gestalteten Menk-Transparente in unserem Magazin – und wurde dort, weil alle anderen Transparente längst verzeichnet waren, tatsächlich vergessen.

Festgestellt haben wir dies erst, als Ingrid Menk es Anfang März diesen Jahres für eine Kulturveranstaltung anlässlich des Internationalen Frauentages im Kultur- und Stadthistorischen Museum Duisburg ausleihen wollte. Hatten wir es überhaupt bekommen?! Wir zweifelten. Ingrid Menk, die ihr Leben lang als Aktivistin in Sachen Frieden, Frauen und Umwelt unterwegs ist, war sich dessen sicher. Sie kam vorbei, wir diskutierten, rekonstruierten Ereignisse – und wurden schließlich fündig. So erlebte das beinahe verschollene Transparent, gebügelt und ein wenig in Form gebracht, einen interessanten Tag im Stadthistorischen Museum, hörte Lesungen und Musik von Claire Waldorf, sah eine Modenschau und staunte über die Künste einer Bauchtänzerin.

Inzwischen ist es wohlbehalten zurück im Archiv. Wir haben es direkt verzeichnet und werden nicht mehr vergessen, wo es liegt.

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Februar 2017: Brief vom 13.5.1983 an die Selbstorganisation der Zivildienstleistenden

Insgeheim hoffen einige ArchivarInnen womöglich auf die ganz große Entdeckung: eines bis dato wohlgehüteten Geheimnisses, eines verschollen geglaubten Kunstwerkes oder einer Schatzkarte. In unserem Fundstück des Monats entdeckten wir immerhin 30 Deutsche Mark! Ein 10 DM- und ein 20 DM-Schein lagen mit einem Brief in einem Umschlag, adressiert an die Hamburger Regionalgruppe der Selbstorganisation der Zivildienstleistenden (SOdZDL). Die SOdZDL wurde 1971 gegründet, damals noch als Selbstorganisation der „Ersatzdienstleistenden“. Die Gründung war eine Reaktion auf die Schikanen, denen Ersatzdienstleistende oft ausgesetzt waren, da es keine Interessenvertretung für sie gab. Die in der SOdZDL organisierten jungen Männer waren Antimilitaristen und Kriegsdienstverweigerer. Sie betrieben Lobbyarbeit für einen alternativen Friedensdienst, für einen tatsächlichen zivilen Einsatz anstelle eines Arbeitsdienstes, der als reiner „Ersatz“ für den Wehrdienst konzipiert war. Die SOdZDL hat hierneben Kriegsdienstverweigerer beraten und Zivildienststellen vermittelt, Streiks durchgeführt und Repressionen gegen Dienstleistende bekämpft. In ihrer Arbeit deckte sie durch Beratung und Vermittlung die individuelle Ebene ab, griff aber auch gesamtgesellschaftliche Probleme auf, indem sie beispielsweise die Praxis kritisierte, Zivildienstleistende als Lohndrücker und Streikbrecher in vielen Berufssparten einzusetzen.

Unser Fundstück des Monats veranschaulicht das solidarische Organisationsprinzip der SOdZDL: Im Brief bestellt der Absender Info-Material und legt hierfür die 30 DM bei. Im P.S. erzählt er, dass er von einem anderen Zivildienstleistenden hörte, der einer Dienststelle zugeteilt ist, in der er ebenfalls einmal eingesetzt war. Der Absender unseres Briefes bietet an, dem anderen Zivi „wertvolle Tips für die Arbeit“ geben zu können. Jedoch muss die Kontaktaufnahme über die SOdZDL geschehen, „da es diese Dienststelle mit dem Postgeheimnis nicht sehr genau nimmt“.

Das afas hat 2015 den kompletten Aktenbestand sowie zwei große Umzugskartons mit Grauer Literatur, Büchern und Zeitschriften von der SOdZDL übernommen. Man sieht den Materialien an, dass sie jahrelang in dunklen und nicht ganz trockenen Kellern zugebracht haben. Derzeit werden diese Unterlagen erschlossen und zugänglich gemacht.

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 Januar 2017: „Holy Flip“ – Zeitschrift aus Herten

Im Gegensatz zu den meisten Zeitschriften und Broschüren im afas, die eher schwere Kost zur ganz großen Politik oder zu den Widrigkeiten des Alltags bergen, frönt die Holy Flip dem Hedonismus und schönen Leben. Die Zeitschrift erschien in Herten, in der Ruhrgebietsprovinz, etwa von 1975 bis 1978. Holy Flip ist besonders schön hergemacht, die Artikel sind oft handschriftlich geschrieben und mit zahlreichen Zeichnungen, Ornamenten und Collagen versehen. Sie ist, das lässt sich kaum verhehlen, sehr drogenaffin. Erzählt wird von diversen Trips auf diversen psychedelischen Substanzen, es geht um Selbstfindung und das Experimentieren mit Bewusstseinserweiterung, um gemeinschaftliches Leben, Hinwendung zur Natur und das Aussteigen. Der Hippie-Duktus der 1970er ist im Jahre 2017 befremdlich: „Liebe, Kommunikation ohne Horror, dancing in the sun, Hare Krischna, Holy Flip. Die Schau beginnt, versuche, auf uns einzuflippen und ich warte auf jedes Zeichen.“ Doch auch ZeitgenossInnen schienen mit dem zum Teil sehr speziellen Stil nicht immer zurechtgekommen zu sein. Die MacherInnen positionieren sich: „viele Leute haben uns nach dem Durchblättern und Durchlesen unserer 1. Zeitung gefragt: Was wollt ihr denn eigentlich damit aussagen? (…) Es ist ganz einfach: Wir versuchen, aus dem Moment-Gefühl zu leben, spontan zu sein, möglichst wenig nachzudenken. Einfach so ne lockere Anarchie (…).“

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2016

Dezember 2016: Notizbuch von Karl Rössel aus den Philippinen

Im Jahr 2012 konnte das afas Teile des Redaktionsarchivs des Rheinischen JournalistInnenbüros – insbesondere die Recherchematerialien von Karl Rössel – übernehmen. Mittlerweile ist ein Großteil der Sammlung, u.a. Archivalien, Fotos, aber auch Audiokassetten mit Interviews oder O-Tönen, erschlossen und zugänglich.

Das JournalistInnenbüro, zunächst noch als Journalistenbüro, wurde 1982 gegründet und bestand bis 2012. Die JournalistInnen arbeiteten als Kollektiv selbstbestimmt und frei. Die Texte wurden gemeinsam redigiert, ein Einheitslohn wurde gezahlt. Sie befassten sich unter anderem mit Arbeit und Armut, Sozialpolitik, Gewerkschaften, Rassismus, Asyl.
Ein großer Themenschwerpunkt aber war Internationalismus. So berichteten die Mitglieder über die Zustände und Projekte in verschiedenen Ländern. Karl Rössel reiste in die Westsahara, nach Australien, in die Pazifikstaaten oder auf die Philippinen. Es entstanden Radiosendungen, Artikel und Bücher über die Aborigines, das Schicksal jüdischer Flüchtlinge in Australien oder die Situation in der Westsahara.
Von einer dieser Reisen stammt unser Fundstück des Monats: Ein Tagebuch aus den Philippinen im Winter 1994. Karl Rössel beschreibt hier auf ca. 250 Seiten seine Erfahrungen und Begegnungen. Er traf sich dort mit verschiedenen AktivistInnen (zum Beispiel für Frauenrechte), mit GewerkschafterInnen und mit KünstlerInnen. Auch berichtet er ausführlich über einen Besuch beim „Bondoc Development Program“, einem von der Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit unterstützten Projekt auf der Insel Bondoc, und Gesprächen mit den dortigen MitarbeiterInnen. Das Bondoc-Projekt sollte Bauern und Bäuerinnen bei der Durchführung der Landreform auf den Philippinen unterstützen, einige KritikerInnen sprachen jedoch davon, dass es eher der Aufstandsbekämpfung diene.
Auf den oben abgebildeten Seiten schildert Karl Rössel seinen Besuch beim oppositionellen Journalisten Edgar Cadagat vom Nachrichtendienst COBRA-ANS. Dieser hatte 1991, „wahrscheinlich vom Militär“, einen Papp-Sarg erhalten: Darin lag ein Farbfoto Cadagats mit der Nachricht: „May you rest in Peace. God bless you“. Die folgenden Seiten dokumentieren weitere Begegnungen und Interviews mit Cadagat, die zeigen, dass dieser trotz solcher Drohungen weiterhin kritisch über die mangelhafte Durchführung der Landreform und die Unterdrückung der Landbevölkerung berichtet.

Eine ausführliche Selbstdarstellung des Rheinischen JournalistInnenbüro und mehr über die Themenschwerpunkte gibt es hier.

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November 2016, anlässlich der Ausbürgerung von Wolf Biermann aus der DDR vor 40 Jahren: Plakat zu einem Konzert in der Kölner Sporthalle am 13. November 1976

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Ein schlichtes Plakat im DIN A 2-Format, gedruckt auf dünnem, billigstem Zeitungspapier. Kein Foto des Sängers, nicht mal die komplette Adresse der Kölner Sporthalle ist angegeben. Dafür gibt es viel zu lesen: Textausschnitte, die Wolf Biermann als Kritiker beider Deutschländer zeigen, und Kommentare der Kölner Schülerinitiative gegen Berufsverbote und des Kollektivs vom Anderen Buchladen.

Der Hintergrund: Als 17-jähriger siedelt Wolf Biermann 1953 aus Hamburg in die DDR über, bekommt dort aber bereits 1965 Auftrittsverbot und muss seine Liedtexte und Schallplatten deshalb in der Bundesrepublik veröffentlichen. Im Osten kursieren Abschriften und Tonkassetten seiner Schallplatten, im Westen kennen viele Menschen aus den antiautoritären und undogmatischen Protestbewegungen seine Lieder.
Für ein Konzert am 13. November 1976 in Köln, veranstaltet von der IG Metall, erhält er ein Visum. Über 7.000 Zuschauer erleben einen unvergesslichen Abend.
Am 16. November teilt die staatliche Nachrichtenagentur der DDR die Ausbürgerung Biermanns mit. Am 19. November sendet die ARD das Kölner Konzert in voller Länge zu bester Sendezeit: dadurch ist es auch in der DDR zu empfangen.
Prominente DDR-SchriftstellerInnen wie Sarah Kirsch, Christa Wolf, Stephan Hermlin, Stefan Heym oder Heiner Müller bitten  –  vergeblich  – die Staatsführung der DDR, die Ausbürgerung zu überdenken. Am 21. November stehen bereits rund 100 Namen unter diesem Offenen Brief, darunter Katharina Thalbach, Jürgen Fuchs, Thomas Langhoff, Angelica Domröse, Nina Hagen, Manfred Krug und Armin Mueller-Stahl: die kulturelle und intellektuelle Elite des Landes geht auf Distanz zur Staatsführung. Wahrscheinlich ist das der Anfang vom Ende der DDR, die 13 Jahre später, im November 1989, die Mauer öffnet.

Verantwortlich für das Plakat zeichnet Kurt Holl. Holl war in den 1960er Jahren im Kölner Sozialistischen Deutschen Studentenbund (SDS) aktiv, in den 1970er Jahren von Berufsverbot bedroht, in den 1980er Jahren Mitbegründer des Rom e.V., der sich für die Menschen- und Bürgerrechte der Roma und Sinti einsetzt, und nicht zuletzt war er Mitherausgeber des Buches „1968 am Rhein“. Holl starb 2015.

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Oktober 2016: Die erste Ausgabe der „AktionWohnungsNot“ im Jahr 1975

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Pünktlich zu Beginn des Wintersemesters 2016 war in den Medien wieder zu lesen und zu hören, dass die Wohnungsnot unter Studierenden in Nordrhein-Westfalen dramatische Ausmaße annimmt. Erklärt wird das mit der steigenden Zahl der Studierenden bei gleichzeitigem Mangel an bezahlbarem Wohnraum, etwa in Wohnheimen.
Wenn wir einen Blick zurückwerfen, lässt sich eine Entwicklung hin zum jetzigen Missstand von allgemein steigenden Mieten in westdeutschen Großstädten, Gentrifizierung und Luxussanierung erkennen.
Unser Fundstück des Monats zeigt, dass junge Menschen in Ausbildung und Studium bereits Anfang der 1970er Jahre mit dem Problem, einen Platz zum Leben zu finden, konfrontiert waren. In Zusammenhang mit einer frühen Hausbesetzung im Stadtteil Bilk gründete sich 1973 in Düsseldorf die Aktion Wohnungsnot (AWN). 1975 brachten sie die erste Nummer ihrer Zeitung heraus, in der über die Anliegen des Vereins und die Empörung der AktivistInnen berichtet wird: „Die meisten Düsseldorfer (…) werden schon einmal am eigenen Leibe erfahren haben, was es heißt, Wohnraum als ‚Ware‘ auf dem Wohnungsmarkt‘ gesucht zu haben (…) um dann doch nur eine ‚Bude‘ zu bekommen, die man eigentlich nicht bezahlen kann (…).“ Die AWN machte sich auf die Suche nach gut erhaltenen, aber leerstehenden Häusern, um mit der Stadt eine legale Besetzung zu diskutieren. Nach zähem Ringen entschloss die Stadt sich dazu, SchülerInnen, Lehrlinge und Studierende in einigen der leerstehenden Häuser preiswert wohnen zu lassen. Die Zusammenarbeit mit der Stadt blieb ambivalent und wurde von vielen besonders kritisch beäugt, weil sie letztlich keine dauerhafte Lösung bot und Häuser nach wie vor abgerissen werden konnten, sollte es für die Grundstücke einen anderen Plan geben.
Der AWN jedoch ging es um mehr, ihr war an einer antikapitalistischen Perspektive auf Wohnraum gelegen: „Es kann nicht Sinn der AWN sein, erst dann aktiv zu werden, wenn (das) Haus schon aus Spekulationsgründen geräumt wurde (…). Wohnraum kann nicht Ware sein (…). Darum setzt (sich die AWN) ein für ein neues demokratisches Bodenrecht, das die Spekulation mit Grund und Boden unmöglich macht, für eine menschliche Stadtplanung unter Mitwirkung der Bevölkerung, für die Abschaffung des privaten Maklerwesens zugunsten einer öffentlichen, kostenlosen Wohnungsvermittlung.“

Im Verlauf der 1970er Jahre beteiligten sich AWN-Mitglieder zwar immer wieder an Besetzungen in Düsseldorf, machten Stadtteilpolitik und waren an den Hochschulen aktiv. Doch breitete sich gleichzeitig bei vielen Mitgliedern eine unpolitische „wir wollen einfach nur billig wohnen“-Stimmung aus. Hinzukommend fanden die Hausbesetzungen ein jähes Ende: Anfang der 1980er Jahre waren fast alle Häuser geräumt und um die AWN wurde es sehr still.
Festzuhalten bleibt, dass die AWN früh die Themen Spekulation und Wohnungsnot auf’s Tapet gebracht hat, um ganz konkret jungen Menschen in Düsseldorf ein bezahlbares Dach über dem Kopf zu organisieren. Die Ideen der AWN und ihre Kritik am Wohnungsmarkt überlebten in nachfolgenden Initiativen und Gruppen – nicht nur in Düsseldorf.

 

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September 2016: Telegramm von Bertha von Suttner an Magnus Schwantje vom 11. Dezember 1911

„ja = suttner“. Kürzer geht es nicht. Aber um was ging es?

Magnus Schwantje, der zu Unrecht ein wenig in Vergessenheit geratene Tierethiker, Pazifist und Sozialreformer (1877 – 1959), hatte 1911 beschlossen, eine neue Zeitschrift mit dem Titel „Ethische Rundschau“ zu gründen. Schwantje hatte bereits 1907 die „Gesellschaft zur Förderung des Tierschutzes und verwandter Bestrebungen“ gegründet, die 1919 in „Bund für radikale Ethik“ umbenannt wurde. Die neue Zeitschrift sollte sich sowohl für die Tierschutzbewegung als auch für die Friedensbewegung einsetzen.

Was lag da näher, als Bertha von Suttner, die 1911 die wohl prominenteste Vertreterin der Friedensbewegung war und die sich im Jahr 1898 in einer Streitschrift gegen Tierversuche (damals Vivisektion genannt) ausgesprochen hatte, um Mitarbeit zu bitten? Am 2. Dezember 1911, als bereits etliche prominente Persönlichkeiten Magnus Schwantje zugesagt hatten, an der „Ethischen Rundschau“ mitzuarbeiten (darunter Alfred Hermann Fried, Ludwig und Margarethe Quidde, Marie von Ebner-Eschenbach) bat er in einem langen Brief auch Bertha von Suttner um Mitarbeit an seiner Zeitschrift  –  und darum, sie „in einem Prospekt, der schon in der nächsten Woche gedruckt werden soll, (…) unter den Schriftstellern zu nennen, die mir Aufsätze in Aussicht gestellt haben“.

Als sechs Tage später, am 8. Dezember 1911, noch keine Antwort von Bertha von Suttner vorlag, hakte er in einem zweiten Brief nach: „Eine Verpflichtung zur Mitarbeit würden Sie durch die gütige Erfüllung meiner Bitte ja noch nicht übernehmen, da ich in dem Prospekt bemerken werde, daß einige der genannten Schriftsteller mir noch nicht einen Aufsatz eingesandt haben, sondern ihre Mitarbeit nur in Aussicht gestellt haben“. Um den Druck des Prospektes nicht zu verzögern, bat er Bertha von Suttner um telegraphische Antwort: „Das Telegramm brauchte ja nur das Wort ,Ja‘ oder das Wort ,Nein‘ zu enthalten“. Selbst die Kosten des Telegramms wollte Schwantje „sogleich nach dem Empfang durch Postanweisung oder in oesterreichischen Briefmarken einsenden“.

Drei Tage später, am 11. Dezember 1911, kam die telegraphische Antwort aus Wien: „ja = suttner“.

Nachbemerkung: der Nachlass Magnus Schwantjes befindet sich seit August 2016 im afas. Er ist Teil des Archivs des Vegetarierbundes Deutschland (VEBU), das ebenfalls dem afas übergeben worden ist.

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August 2016: Das Plakat „Sex Police Academy“

Vor kurzem erreichte uns eine interessante Email. Michael Schneidewind, der Gründer der Sex Police Academy und Gestalter des obigen Plakates, fand dieses in unserem Katalog, nachdem er es jahrelang verschollen glaubte. Die Freude war auf beiden Seiten groß: er bekam das Plakat in digitaler Form, und wir erhielten mehr Hintergrundinformationen dazu.

„Die Sex Police Academy, Kölns erste und einzige Ausbildungsstätte für Sitte und Moral, bildet im Rahmen des Sommersemesters 90 Männer und Frauen zur Sex-Police aus. Einsatzorte in Köln: überall.“ So wirbt das Plakat für mehrere Veranstaltungen, „Einführungs- und Fortgeschrittenenkurse“ im Mai und Juni 1990 zu den Themen Moral, Sitte und Erotik.
Die Sex Police Academy war die ironische Antwort auf die Absicht des Ordnungsamtes Köln, die eben erst neu eröffnete Schwulensauna Phoenix mit dem Hinweis auf „unsittliches Verhalten“ wieder zu schließen. Aber was versteht man unter unsittlichem Verhalten? Die Bildungsstätte sollte genau dieser Frage mit Humor nachgehen. Von Michael Schneidewind wurde diese innerhalb von nur vier Wochen erdacht und realisiert. Sie erreichte schnell so viel Aufmerksamkeit innerhalb Kölns, dass bereits nach der Eröffnungsfeier unter dem Titel: „Stress in Kölner Männerbande“ das Ziel erreicht war: Das Ordnungsamt „musste unter dem Gelächter der Kölner die Waffen strecken“, die restlichen Veranstaltungen fanden erst gar nicht statt.

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Juli 2016: Brettspiel Klassenkampf

Wenngleich der auf dem Karton abgedruckte Hinweis „Mehr als ein Spiel und mehr als ein Buch: Hier lernen Sie spielend, wie ernst das Leben ist“ nicht sonderlich ermutigend klingt, kommt nach einem Blick in die Spielregeln doch noch Laune auf. Denn in Klassenkampf geht es um nichts weniger als die Frage, wer „in der Auseinandersetzung der Klassen in unserer Gesellschaft die Revolution gewinnt.“ Die deutsche Version von 1980 basiert auf dem 1978 erschienenen „Class Struggle“ des amerikanischen Uni-Professors Bertell Ollmann. Auf einer Reise nach New York begeisterte sich der SPD-Bundestagsabgeordnete Wolfgang Roth für das Spiel und bemühte sich, unter Mitarbeit des Historikers Peter Brandt, um die Herausgabe einer deutschen Version.

Es spielen nicht Einzelpersonen, sondern Klassen gegeneinander – jedoch können die SpielerInnen ihre Klasse nicht selbst aussuchen, „denn auch im Leben entscheidet weniger der eigene Wille (…) als der ,Zufall‘, in welche Familie man hineingeboren wird.“ Die SpielerInnen würfeln aus, ob sie zu den Hauptklassen Arbeit oder Kapital, oder zu den Bündnisklassen Bauern, Mittelstand, neue Mittelklasse oder Intelligenz gehören. Das Spiel ist Monopoly nachempfunden, sicherlich sogar als Gegenentwurf zu seinem geld- und besitzanhäufenden Prinzip konzipiert. Statt Gefängnis oder Schlossallee bieten die Spielfelder einen Ritt durch die Historie der Arbeiterbewegung: Von der „Beseitigung feudaler Bindungen“ landen die SpielerInnen auf Feldern wie „Einheitliche Arbeiterpartei gegründet. Parteifahne aufstellen!“, „Arbeiterführer wegen ,Volksverhetzung‘ verhaftet“, „Der 8-Stunden-Tag ist durchgesetzt“, aber auch „Das Kapital tanzt Charleston“ bis hin zu „KAMPF: Revolution“ und den schlussendlichen Alternativen „DIKTATUR DES KAPITALS“ oder „SOLIDARISCHE GESELLSCHAFT“.

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Juni 2016: Airmail aus Vietnam mit Karl-Marx-Briefmarken

Die Aktion Friedensdorf wurde 1967 in Oberhausen unter dem Eindruck des Sechs-Tage-Krieges im Nahen Osten und des Vietnam-Krieges gegründet. Um 1967/68 kamen die ersten kriegsversehrten Kinder aus Vietnam ins Friedensdorf, um dort medizinisch und pädagogisch betreut zu werden. Aus dem Nachlass einer Bonner Eine-Welt-Aktivistin haben wir in großem Umfang Unterlagen der Bonner Lokalgruppe, aber auch des Gesamtverbands der Aktion Friedensdorf erschließen können. Die Organisationsinterna, also etwa Protokolle, Korrespondenzen, Notizen und Manuskripte geben wieder, welcher bürokratische Aufwand unternommen werden musste, um die Kinder – während des Krieges – nach Deutschland zu fliegen. Die Fotos und Dias, aber auch die Korrespondenzen von und mit VietnamesInnen zeigen eine schwierige Situation: Einerseits waren die Kinder in Sicherheit und ihre teils gravierenden Verletzungen wurden versorgt. Andererseits waren sie weit weg von ihrer Familie (sofern noch vorhanden) in einer ganz fremden Umgebung.

1984, beinahe zehn Jahre nach Kriegsende, kümmerte sich die Aktion Friedensdorf weiterhin um die medizinische Versorgung von Kindern und Jugendlichen. Unser Fundstück des Monats ist der Umschlag eines Briefes aus dem inzwischen vereinigten sozialistischen Vietnam, der an die Bonner Aktion Friedensdorf geschickt wurde. In dem Brief schildert eine vietnamesische Mutter die lebensbedrohlichen Krämpfe ihres Sohnes und bittet die Bonner Gruppe um Hilfe. Die meisten Briefe und gesundheitlichen Gutachten sind auf Vietnamesisch. Sie wurden von einem jungen Vietnamesen, der als Kind während des Krieges ins Friedensdorf kam und sich danach in Deutschland niederließ, ins Deutsche übersetzt.

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Mai 2016: Bluse zum Protest gegen die Rüstungsproduktion von Daimler-Benz


Im Herbst 1998 wurde in der Ludwig Galerie im Schloss Oberhausen die Ausstellung „Mythos Mercedes“ eröffnet, in der es -eigentlich- um die künstlerische Bearbeitung des Fetischs Auto ging. Die Friedensinitiative Oberhausen nutzte die Gelegenheit, um auf die Rolle des Mercedes-Konzerns in der Kriegs- und Rüstungsindustrie hinzuweisen, beispielsweise auf die Produktion von Minen. Spenden für Minenopfer wurden gesammelt, Protestplakate ausgestellt und eine Aktivistin der Friedensinitiative trug unser „Fundstück des Monats“: Eine Bluse, auf deren Rückseite die Werbung der Daimler-Gruppe „Deutsche Aerospace“ gedruckt ist, die eine Panzerabwehrrichtmine anpreist.
Im Zusammenhang mit dem Ottawa-Abkommen über „das Verbot des Einsatzes, der Lagerung, der Herstellung und der Weitergabe von Antipersonenminen und über deren Vernichtung“ kündigte der Daimler-Konzern an, sich 1999 von der Antipersonenminen-Produktion zurückziehen zu wollen.

In unseren Archivalien der Friedensbewegung, der Anti-Apartheid-Bewegung oder des Rheinischen JournalistInnenbüros gibt es viele weitere kritische Auseinandersetzungen mit dem Export von Daimler-Produkten für die Kriege und Konflikte dieser Welt.

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April 2016: Graue Literatur zur Nuklearkatastrophe in Tschernobyl am 26. April 1986

Unglückshergang und Auswirkungen von Tschernobyl haben sich heute ins kollektive Gedächtnis eingebrannt. In den Wochen unmittelbar nach der Explosion des Kernreaktors drangen jedoch nur wenige Informationen nach außen. Die Strahlenschutzkommission beschloss Anfang Mai, den zunächst von ihr empfohlenen Grenzwert von 100 Becquerel Caesium 137 je Kilogramm Gemüse aufzuheben. Kein Wunder, dass sich große Teile der deutschen Bevölkerung von der Bundesregierung und ihren Institutionen nicht ausreichend aufgeklärt fühlten – insbesondere über die gesundheitlichen Folgen. Angesichts des Super-GAUs wurde es für viele BürgerInnen immer augenscheinlicher, dass Atomtechnologie ihr Versprechen von einer „sauberen“ und „fortschrittlichen“ Energieversorgung nicht einlösen kann.

Menschen quer durch alle gesellschaftlichen Schichten und politischen Richtungen drückten ihren Unmut über die als verantwortungslos empfundene Politik auf der Straße aus und nahmen die Informationspolitik selbst in die Hand. Im afas haben wir ein breites Spektrum an Zeugnissen dieser atomkritischen Zusammenschlüsse nach Tschernobyl archiviert. Politische und unpolitische Gruppen jedweder Couleur äußerten sich bereits wenige Wochen nach der Katastrophe in selbstgemachten Flugblättern, Broschüren und Zeitschriften.

An vorderster Front standen NaturwissenschaftlerInnen, Friedens- und Öko-AktivistInnen, die ihre Expertise weitergaben. Die Menschen waren hochgradig verunsichert, was sie noch essen und wie sie sich im Alltag verhalten sollten. In unseren Broschüren sind daher unzählige Tabellen und Listen mit Strahlenwerten sowie dem Verseuchungsgrad von Boden, von Obst- und Gemüse, von Fleisch- und insbesondere von Milcherzeugnissen zu finden. Ein Schaubild (Foto 5) der Fachschaft Physik an der Ruhr-Uni Bochum zeigt, in welchen Körperregionen sich radioaktive Stoffe bevorzugt absetzen.

Die Bremer Bürgerinitiative gegen Atomanlagen und der Bremer Gesundheitsladen gehen es noch differenzierter an und versuchen sogar, den komplexen Berechnungsweg für belastete Nahrungsmittel aufzuzeigen.

Regionalspezifische Organe fanden reißenden Absatz. Die Zeitung „Halbwertzeit“ mit dem Untertitel „Leben mit der Katastrophe, Lernen aus der Katastrophe“ wurde im Mai 1986 von BürgerInnen aus Münster gegründet. In der zweiten Ausgabe der Halbwertzeit berichten die MacherInnen davon, wie sich die 120.000 Exemplare der ersten Ausgabe in rasender Geschwindigkeit verbreitet haben. Mit einigem Galgenhumor gehen sie auch auf die gesunkenen Strahlungswerte ab Juni 1986 ein: „Man kann sagen, die Radioaktivität hat sich gut verteilt. Nach Tausenden von Becquerel klingen zehn Becquerel schon fast so, als sollte man unter fünf gar nichts mehr essen.“ Aber sie mahnen: „Wir müssen nicht auf den nächsten GAU warten. Wir müssen nicht leben mit Politikern, die (…) mit Tricks aus Werbeagenturen kommen: Die Angst soll weg, die Atomkraftwerke sollen bleiben. Darum in der Halbwertzeit (…) neben der Nachsorge nach Tschernobyl auch viel Vorsorge: Daß uns das nicht nochmal vorkommt.“

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März 2016 zum Internationalen Frauentag: Frauenarbeits-Lose der Bonner „Frauenintiative 6. Oktober“ aus Mitte der 1980er Jahre

Weil das Parlament nach der Bundestagswahl 1980 weiterhin äußerst männerdominiert war, reagierten politisch engagierte Frauen in Bonn mit Gründung der „Fraueninitiative 6. Oktober“. Um sich zu vernetzen, den frauenpolitischen Wirkungsgrad auszudehnen und über feministische Themen zu informieren, die in der konventionellen Presselandschaft untergingen, formierten sie sich kurz darauf zur „Initiative Frauen-Presse-Agentur“. 19 Jahre lang brachte die „IFPA“ ihren Rundbrief raus und kämpfte öffentlichkeitswirksam für die Rechte von Frauen hierzulande und anderswo.

Das afas hat große Teile der Bonner IFPA-Geschäftsstelle übernommen. Aus den Materialien lassen sich mitunter denkwürdige Kontinuitäten der damaligen feministischen Anliegen bis in die Jetztzeit herauslesen: Bei Aktionen verteilte die IFPA „Frauenarbeits-Lose“ an Frauen, um auf die ungleichen Strukturen für Männer und Frauen auf dem Arbeitsmarkt aufmerksam zu machen. Die Diskussionen um gleichen Lohn für gleiche Arbeit, Bezahlung überhaupt für Care-Arbeit oder die rechtskonservativen Stimmen, die sich einmal mehr die Rückkehr der Frau zu Heim und Herd wünschen, sind bis heute zu vernehmen…

Die Sammlung der IFPA kann bei uns im Archiv eingesehen werden! Für einen Überblick über Geschichte und Aktionen der IFPA siehe auch diesen Artikel.

Unsere Sammlungen beherbergen viele andere spannende feministische Fundstücke wie Buttons, Aufkleber, Demo-Material oder auch das Femory …!

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